Evolutionäre Spiritualität ist ein alternativer Zugang zum Problem der neodarwinistischen Religionstheorie, also dem neuen modernen Atheismus. In der neodarwinistischen
Religionstheorie sind alleine die Gene entscheidend. Dabei befinden sich die Gene in einem ständigen, evolutionären Kampf ums Dasein. Dies ist korrekt. So hat sich die Evolution entwickelt und den Menschen - den homo sapiens sapiens - als religiöses Wesen hervorgebracht. Sehr wahrscheinlich steckt die Religion dem Menschen in den Genen. Dies die phylogenetische Sicht, also wie die Menschheit evolutionär zum Menschen wurde. Die ontogenetische Sicht versucht zu erklären, wie sich der menschliche Embryo zum Erwachsenen entwickelt. Hier zeigt sich, wie das in den Genen angelegte Potential zur Reife kommt. Gewisse Genkombinationen lassen so etwas wie ein Gottesmodul in unserer Psyche entstehen. Dieses religiöse Gottesmodul verspricht numinos ein Mehr, eine Transzendenz, ein Heil und ist die Antwort auf unsere Sehnsucht nach dem ewigen Frieden. Die genauen Details dieser Mechanismen sind noch nicht genau untersucht, aber in groben Zügen, dürfte dies das Bild der naturwissenschaftlichen Sicht des religiösen Menschen sein. Die inhaltliche Ausprägung des Glaubens ist dann das Resultat von individueller Erfahrung und kultureller Prägung.
Vor einer weiteren Falle des materialistischen Reduktionismus muss ebenfalls gewarnt werden, nämlich das Gehirn nur als eine Maschine zu verstehen. In diesem Bild geht die herausragende Rolle, die das Bewusstsein spielt, verloren. Bewusstsein kann nicht alleine auf Materie reduziert werden. Bewusstsein ist ohne Zweifel mit Materie verbunden. Aber wie das genau Verhältnis zwischen Bewusstsein (das was uns eigentlich ausmacht) und der Materie ist, kann nicht genau bestimmt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass sich bei der Bewusstseinsforschung ein kognitives System im Spiegel anschaut und versucht sich selbst zu entschlüsseln. Kant hat diese letzte Schranke der Erkenntnis mit einer nichtabnehmbaren Brille unseres Verstandes verglichen. Wir nehmen die Welt mit der Brille unseres Verstandes war. Wie die Welt letztendlich ist, also ohne die Brille, wissen wir nicht. Das Kombinationsproblem, also dass die neuronalen Grundlagen unseres Bewusstseins eine räumliche Ausdehnung in unserem Gehirn haben, wir aber unser Bewusstsein als eine Einheit, als einen Bewusstseinsstrom erfahren, macht deutlich, dass wir Bewusstsein nicht einfach auf Materie reduzieren können. Womit wir auch einsehen, dass zumindest die Bedingung der Möglichkeit für eine Seele gegeben ist!
Eine mögliche Antwortstrategie auf die neodarwinistische Religionstheorie ist neukantianisch auf den Unterschied zwischen Genese und Geltung zu verweisen. (Dies ist eine Fortführung der Humeschen Unterscheidung von Sein und Sollen.) In Umkehrung von Heidegger besteht die ontologische Differenz in der Unterscheidung zwischen der ontischen Ebene der Evolutionstheorie und der ontologischen-metaphysischen Ebene der Religion. Aus dieser metaphysischen Sicht kann man die Hoffnungsbotschaften der Religionen, welche uns aus der Tiefe der kosmologischen Zeit erreicht haben, ernstnehmen.
Im folgenden wollen wir uns aber auf einen alternativen Syntheseversuch - die Evolutionäre Spiritualität konzentrieren. Es ist der Versuch einer Spiritualisierung der naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie. In diesem Post soll v.a. die Entstehung und Abfolge der verschiedenen Religionsbilder untersucht werden. Welche Abgründe eine blutige, apokalyptische Rekombination von Religionsbildern auslösen kann, wird im Post "Die Abgründe des Menschlichen am Beispiel des Nationalsozialistischen Deutschlands" untersucht. Im Post "Filmriss" schliesslich wird eine kleine Weltgeschichte des Geistes aus einer postmodernen, taoistischen Perspektive versucht.
Die Evolutionäre Spiritualität stellt die Evolution mit ihrer Kraft, Energie, Schönheit und Kreativität ins Zentrum der Gottesvermittlung. Evolutionäre Spiritualität heisst die Göttlichkeit des Lebens nicht aufzugeben, denn mit der materiellen Evolution geht auch eine spirituelle Evolution einher!
Angesichts des unglaublichen Horizonts, der sich uns Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts eröffnet, lässt sich mit gutem Recht staunen! Es bietet sich uns ein kosmozentrischer Horizont, der vom Big Bang und der Entstehung des Universums, über die Entstehung unseres Sonnensystems und die Entstehung der Erde aus Sternenstaub, zur Entstehung des Lebens, der Pflanzen und Tiere und schliesslich des Menschen, mit seinem Bewusstsein von sich selbst reicht und seinem Staunen darüber warum etwas ist und nicht vielmehr nichts!
Der Mensch ist die Spitze dieser Entwicklung. Das wertvollste Gefühl, das wir Menschen dabei aus der Evolution mitbekommen haben, ist das Gefühl der Liebe. Diese ist unsere wahre Lichtung des Seins und sollte unseren Lebenskompass ausrichten. Dieses Gefühl sollte uns auch klar machen, dass die Evolution mit der Zeit friedlicher geworden ist. Das Gleiche gilt für die menschliche Geschichte, insbesondere für diejenige des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben wir ein bisher nie zuvor erreichtes Mass an Frieden und Wohlstand erreicht. Die Logik der Evolutionären Spiritualität legt nun nahe, dass wir das gefundene positive Potential zu Wert schätzen wissen und versuchen, es so gut wie möglich weiter zu steigern. Die Religionen der Zukunft sollten friedlichere sein. Eine Vertiefung des Denkens und Fühlens sollte zu einer Steigerung der Anstrengungen im Bereich der Moral führen. Konkret heisst das, Pflicht gegen Neigung auszuspielen.
Die wichtigste Weiterentwicklung der Evolutionären Spiritualiät, die ich nun ausführen möchte, ist die Hoffnungsbotschaft, welche wir aus der Betrachtung der Abfolge der religiösen Weltbilder gewinnen können. Die klassische Schöpfungstheologie sieht die Welt als geschaffen und getragen von Gott. Diese Sichtweise relativiert sich nun durch die neodarwinistische Religionstheorie. Die Religion, z.B. die christliche Religion, ist nun das Produkt eines im Laufe der Evolution gläubig gewordenen Menschen. D.h. der Mensch hat einen Sinn für das Religiöse ausgebildet. Im Laufe des Evolutionsprozesses hat also religiös zu sein, gewisse Vorteile gehabt.
Die Evolution des Lebens mag zwar mit dem simplen und grausamen Fressen und Gefressen werden angefangen haben. Aber sie hat auch den Menschen hervorgebracht. Der Mensch, der bis zur Höchstleistung - dem Philosophieren - fähig ist. Die Einsichten der Vernunft und die beeindruckende Vielfalt an Religionssystemen sollten uns zu denken geben. Spricht da nicht doch etwas Göttliches aus der Tiefe der kosmologischen Zeit zu uns?
Was für Bilder hat nun unsere menschliche Psyche angesichts der Umwelt, in der sie sich befand, angefangen zu entwickeln? - Zunächst einmal sind die Religionen aus einem Kampf ums Dasein heraus entstanden. In diesem Kampf ums Dasein war die Rolle der Religionen Hoffnung zu geben. Deswegen enthalten sie Tröstungspotential. Weil aber der Kampf so grausam war und ist, sind die Religionsbilder auch so durchmischt von gutem und bösem Prinzip.
Deswegen zurück zu den Anfängen der Menschheit in der Savanne Afrikas, bedroht durch Raubtiere, körperliche Qualen durch Verletzungen und Todesangst. Anderseits die Freuden des Sexes, das Glück kleiner Kinder und auch positive Gefühle beim Zusammenleben in der Gruppe. Für das Rätsel ihrer Existenz musste aber irgendeine andere, höhere Macht verantwortlich sein. Das Folgende sind nun bloss Spekulationen, die aber eine gewisse Logik erkennen lassen sollten und sich von den religiösen Weltbildern heutiger Naturvölker inspirieren lassen.
Unsere gemeinsamen Vorfahren versuchten zunächst wahrscheinlich Halt in einer Form von Animismus zu finden. D.h. dass sie göttliche Kräfte in die sie umgebende Natur projezierten. Den Tieren und auch Pflanzen wurden Seelen und Göttliches eingehaucht. Herausragende Gesteinsformationen mussten dabei der Sitz von noch etwas höherem Göttlichen sein. Bei den Aborigines ist es der Uluru. Bei den alten Griechen war der Sitz der Götter der heilige Berg Olymp. Dem Ahnenkult kommt auch eine grosse Bedeutung zu - die Menschen, welche vor einem gelebt haben. Sie haben einen in diese Welt gesetzt, sind gestorben und verschwunden. Wie es ihnen wohl geht? Ob sie sich wohl um das Wohlergehen ihrer Kinder und Nachfahren kümmern, von der anderen Welt her? Bei den Aborigines waren es ihre Vorfahren, welche ihre Welt aus der Traumzeit in die Welt gesungen haben. Aber für die körperlichen Schmerzen, die sie erleiden mussten, mussten wohl irgendwelche bösen Kräfte verantwortlich sein. Durch Opferung von Tieren und Menschen versuchte man in vielen Religionen diese bösen Kräfte zu besänftigen. Irgendwie versucht der Mensch immer einen Fluchtpunkt zu finden, einen Ort, wo es „heil“ wird. Auch Rituale spielen eine grosse Rolle. Durch befolgen bestimmter magischer Anweisungen, soll das Seelenheil gesichert werden. Ich würde sagen, dass wir uns solche pseudo-magische Rituale heute schenken können. Ein stimmiger Gottesdienst, der den Sinn fürs Mystische und Transzendente in uns weckt, scheint mir da besser geeignet. Abschwören sollten wir jedoch jeder Form von Opferhandlungen. Die Lehre aus der Religionsgeschichte ist, dass die Gottesbilder friedlicher werden.
Zu Beginn der menschlichen Geschichte stehen die ägyptischen Pyramiden, mit dem gewaltigen Versuch durch solche immense Bauten die Unsterblichkeit eines einzigen Menschen, des Gott-Königs Pharaos zu ermöglichen. Dann der qualvolle Götterolymp der Griechen, der die Römer noch beeindruckte. In ihm haben Väter ihre Kinder gefressen und Kinder ihre Väter entmannt. Es wurde zwischen verschiedenen Göttern Krieg geführt. In vielerlei Hinsicht glichen die Götter den Menschen. Sie hatten Schwächen, Leidenschaften und Gefühle. Sie gerieten in Zorn, waren eifersüchtig, mordeten und liebten. Und wie immer in der Religionsgeschichte verlangten sie von den Menschen Achtung und Verehrung.
Dieser religiöse Pantheon wurde durch das friedlichere Christentum abgelöst. Innerhalb der Bibel lässt sich auch eine positive Dynamik im Gottesbild nachweisen. Der Gott des AT hat von Stammvater Abraham (dem Stammvater der drei monotheistischen Religionen von Judentum, Christentum und Islam) noch die Opferung seines Sohnes Isaaks gefordert und ihn dann im letzten Moment gerettet. Im NT ist Gott nun stattdessen bereit seinen eigenen Sohn – Jesus – zu opfern. Dies zudem noch auf die so ziemlich grausamste Art und Weise - gekreuzigt! Die gute Nachricht dabei ist, dass nach der harten Vertreibung der Menschen aus dem Paradies im AT nun Gott im NT bereit ist mit den Menschen einen neuen Bund zu schliessen. Vermenschlicht kann die Jesus-Geschichte auch so verstanden werden, dass Jesus ein junger Idealist war - ein Liebesmystiker - der vom Establishment aufgerieben wurde. Er hingegen war bereit seinen Feinden zu vergeben und liess sich lieber ans Kreuz nageln, als sein Evangelium der Liebe zu widerrufen.
Eine andere Entwicklungsline der Bibel ist diejenige, welche sich mit dem kollektiven Tod beschäftigt. Im AT ist es die Sintflut, in der das ganze Leben auf Erden von Gott ausgelöscht wird. Nur Noah und seine Lieben, ein paar Gottgefällige, und von jeder Tierart ein Paar überlebten. Am Ende des NT steigert sich dieses Bild des kollektiven Todes ins unglaubliche Phantastische. Die Apokalypse nach Johannes ist das düsterste Buch der Bibel. Es wird ein Ende aller Zeiten prophezeit, in dem es zu einem Endkampf zwischen Gut und Böse kommt. Erst dann wird der Teufel entgültig besiegt. Die verstorbenen Menschen werden auferstehen und müssen sich im "Jüngsten Gericht" für ihr Leben vor Gott verantworten. Erst dann kehrt Friede, ewiger Friede ein und die Menschen wohnen bei Gott im neuen, himmlischen Jerusalem. Diese apokalyptischen Bilder verdeutlichen, dass die Menschen neben ihrem individuellen Tod immer wieder auch von einem kollektiven Tod durch Naturkatastrophen und Kriege bedroht waren. Die Entwicklung dieses Denkens in der Bibel kann so beschrieben werden, dass die Dramatik zunimmt, dafür aber auch die Verheissung. Während Gott nach der Sintflut mit Noah nur einen neuen Bund schliesst und den Menschen versichert, dass er seine Schöpfung nicht mehr zerstören will, steigern sich die Bilder in der Apokalypse ins maximal dramatische. Die Bedrohung durch den Teufel, welcher nach 1000 Jahren für kurze Zeit freigelassen werden muss und erst danach die Erlösung der Gerechten und der ewige Frieden. Die Entwicklungslogik, an der wir hier interessiert sind, ist eine der dramatischen Steigerung. Das Bedrohliche nimmt zu, dafür aber auch das Rettende und schlussendlich haben wir die Verheissung eines himmlischen Friedens. Wenn wir wollen, können wir darin schon so etwas wie einen Vorläufer der "Dialektik der Aufklärung" erkennen. Mit der technologischen und sozialen Entwicklung nehmen die Fähigkeiten der Menschen zu, Einfluss auf ihr Schicksal zu gewinnen, gleichzeitig wächst aber auch die Möglichkeit Unheil in diese Welt zu bringen.
Als nächstes wollen wir vom Buch zu seiner Wirkungsgeschichte übergehen. Nun also zur christlichen Religionsgeschichte. Auch in der Geschichte der Christenheit lässt sich eine positive Entwicklung erkennen. Zunächst die Inthronisation des Katholizismus mit dem unfehlbaren Papst an der Spitze, als selbsternanntem Stellvertreter Gottes auf Erden. Die Verwirklichung des Wunschdenkens der Menschen, dass Gott auch bei ihnen ist und durch seinen obersten Hirten mit ihnen in Kontakt ist. Wenn wir uns die gewaltige, inzwischen erdumspannende Hierarchie des katholischen Papstums vergegenwärtigen und diese mit den alten ägyptischen Pyramiden und den unsterblichen Pharaonen an der Spitze vergleichen, können wir den enormen Fortschritt erkennen, welcher sich seither in den religiösen Phantasien der Menschheit abgespielt hat!
Seit dem 16. Jahrhundert ist zusätzlich eine weitere Strömung in der Christenheit dazugekommen - die Reformation! Beichte und Ablasshandel sind nun als Unsinn erkannt worden und der Weg in den Himmel ist für jeden frei geworden. Dafür sollte jeder – angestrahlt von der göttlichen Liebe – aus freien Stücken heraus bereit sein Gutes zu tun!
Trotz dieser leicht ironischen Darstellung der Religionsgeschichte, bin ich kein überzeugter Atheist geworden. Denn als Menschen sind wir in diese Welt geworfen und rätseln über unsere Existenz. Der lange Weg der Evolution, welche den Menschen als religiöses Wesen hervorgebracht hat und die Abfolge von Religionen lassen eine positive Entwicklung erkennen. Warum sollte das Göttliche zu uns nicht wie in einem epischen Theater als listiger Gott sprechen? Zu Beginn des 21. Jahrhunderts leben wir in der Postmoderne. Der Gang Gottes durch die Evolution und Religionsgeschichte muss nicht unbedingt klar erkennbar sein. Seit wir Menschen als religiöse Lebewesen auf diesem Planeten leben, kommen wir aus dem Rätseln und Staunen unseres In-der-Welt-Seins nicht heraus. Das wichtigste dabei scheint mir aber, dass wir unseren moralischen Kompass nicht verlieren. Egal ob gläubig, Agnostiker oder Atheisten.
Evolutionary Spirituality - Gradual change you can believe in. From the monkey ape to the astronaut!
„Denn auf dich hin hast du uns geschaffen. Und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Augustinus, aus: „Bekenntnisse“
Worauf richtet sich unser Begehren?
- Auf Gott als Antwort auf unseren unausweichlichen Tod? → Führt dies zur Askese?
- Auf "Star Trek“, d.h. wir versuchen die Grenzen unserer diesseitigen Welt immer weiter hinauszuschieben. → Führt dies zu Hedonismus und Wagemut?
- Oder gibt es noch eine dritte Kraft – den dunklen Gott, den Teufel, der uns in dieser Welt begrenzt, uns in unserem Begehren um Leben quält und uns mehr als nur Schreien lässt? → Führt dies dazu, dass wir Opfer an eine übernatürliche Kraft meinen erbringen zu müssen?
Ist die Antwort, dass wir versuchen immer mehr Menschen, Tiere und natürliche Ressourcen immer stärker in unsere persönliche oder kollektiven Pyramidalträume zu integrieren (und rechtfertigen wir dies damit, dass auch für die anderen etwas dabei abfällt – „trickle down“, etwas darf herunterrieseln)? – Dies ist das Weltbild der politisch „Rechten“ und Atheist.
Oder sind wir davon überzeugt, dass wir meinen unsere Lebensenergie oder diejenige anderer (individuell oder kollektiv) einer „dunklen“ Gottheit opfern zu müssen? – Dies ist das Weltbild der „Satanisten“. (Kleine Opfer im Namen Gottes sind in vielen Religionen weit verbreitet und enthalten einfach etwas von dieser beschriebenen Opferlogik, ohne dass es gleich satanisch wäre.)
Wie weit sind wir freiwillig bereit auf ein „Mehr“ für uns selbst oder für unser „Kollektiv“ zu verzichten? - Ist es nur die Freude am moralischen Handeln - welche sich bei guter Erziehung - bei jedem von uns einstellt, oder erhoffen wir uns dafür auch noch eine Belohnung im Jenseits – die göttliche Belohnung für gute Taten? – Dies ist das Weltbild der politisch „Linken“ und Frommen. Milde und Ausgleich sind Bilder guter Religion, welche ebenfalls als Elemente in fast allen Religionen vorkommen. Dies ist das Projekt der vergleichenden Religionsethik und das Projekt Weltethos.
Schliesslich die Hoffnungsbotschaften, welche uns aus der Tiefe der kosmologischen Zeit erreicht haben. Die Verkündigung, dass es ein Jenseits gibt und das es auf uns alle wartet. Die Antwort auf unsere Verzweiflung und unsere Klagen. – Das ist das Weltbild der transzendenten Hoffnung und Liebe! Unsere Resonanz auf diese Heilsbotschaften ist, in diesem Leben etwas grosszügiger zu sein, weil ja noch mehr auf uns im Jenseits wartet.
Zu allerletzt bleibt dann noch das Bild vom strafenden Gott. Also dass für Sünde eine göttliche Strafe im Jenseits auf uns wartet oder eine schlechtere Wiedergeburt in dieser oder einer anderen Welt. Ist dies bloss Wunschdenken oder die Rache der Entrechteten? Ich weiss es nicht. Ich bin nur davon überzeugt, dass wir Menschen als religiöse Wesen aus der Natur hervorgegangen sind. Die religiösen Botschaften, welche dabei im Laufe der Religionsgeschichte entstanden sind, sind eine schillernde Mixtur aus gutem und bösem Prinzip und bedürfen weiterer religionswissenschaftlicher Forschung. Aus der Perspektive der Evolutionären Spiritualität - welche wohlgemerkt nur eine unter vielen möglichen Deutungsversuchen ist - bedeutet gut sein, den graduellen, evolutionären Prozess mit seiner Kraft, Energie, Kreativität, Schönheit und Inklusivität weiter zu bringen. Die Kreise der Inklusion sollten immer grösser und umfassender werden, damit sich die kosmische Lebenskraft immer weiter steigern kann. Der individuelle Tod ist unabänderlich, aber das Leben auf Erden sollte weiter gehen! Oder wird es doch irgendwann zu der in so vielen Religionen prophezeiten Apokalypse auf Erden kommen? - Von Gott oder den Göttern herbeigeführt, durch die Natur verursacht (Sonneneruptionen, Sternenexplosionen, Meteoriteneinschläge, Supervulkanausbrüche), durch Menschen unbeabsichtigt verursacht oder in einer fernen, technologisch heute noch kaum vorstellbaren "Hypermoderne" bewusst herbeigeführt? Dies weil vielleicht in der Dialektik der Aufklärung irgendeinmal die Risiken zu gross werden, dass mit den durch Technik gesteigerten Möglichkeiten Menschen oder Tieren zu grosse Schmerzen zugefügt werden könnten, als dass dieses Risiko dann weiter eingegangen werden sollte. Ich denke da an eine ferne Zukunft, wenn die Menscheit mit Hilfe von Wissenschaft und Technik Unsterblichkeit in dieser Welt erreicht haben wird, solange unsere Sonne als Energiequelle strahlt.
Was wir heute aus der modernen naturwissenschaftlichen Neuroforschung lernen können, ist dass die Möglichkeit einer Seele gegeben ist! Dies kommt einer kantianischen Wende im Denken gleich. Frühere Philosophen des Geistes versuchten noch das Bewusstsein durch einen Homunkulus, einem kleinen Männlein in unserem Gehirn zu erklären, welches sich z.B. die Bilder unserer Augen anschaut. Dies ist aber nur eine Problemverschiebung und Spiegelung ins Kleinere. Wenn wir dieser Denklogik folgen, reduziert sich das Zentrum unseres Bewusstseins auf einen immer kleiner werdenden Punkt in unserem Kopf.
Was uns die neuste naturwissenschaftliche Forschung hingegen lehrt, ist dass das Bewusstsein materielle, neuronale Korrelate hat und diese haben eine räumliche Verteilung in unserem Gehirn.
Wir erleben aber unser Bewusstsein als eine Einheit, sowohl in Raum wie Zeit. Damit haben wir einen fundamentalen, logischen Widerspruch! Wie kann ich mein Bewusstsein, meinen Bewusstseinsstrom als eine Einheit erleben, während die Strukturen, welche dieses Bewusstsein erzeugen räumlich verteilt sind? - Mir scheint, die wahrscheinlichste Antwort auf dieses Problem (das Kombinationsproblem) ist, dass es neben Materie und ihrer naturwissenschaftlich erklärbaren Wirkweise, noch eine weitere, geistige Kraft gibt, welche unser Bewusstsein hervorbringt! Reiner naturwissenschaftlicher Reduktionismus kann die Entstehung unseres Bewusstseins nicht erklären.
Die offene Frage aber bleibt, ob dieses "Geist-Wölklein" über das Absterben des Gehirns im Moment unseres Todes weiterbesteht? - Ich weiss es nicht. Seit Kant und mit der evolutionären Erkenntnistheorie ist uns klar, dass wir die Struktur der letzten Wirklichkeit wahrscheinlich nicht wirklich verstehen können.
Was kann ich wissen? - Nichts wirklich sicheres. Was soll ich tun? - Improving the state of the world (WEF). Was darf ich hoffen? - Ich kann Atheist, Agnostiker und Gläubiger zu gleich sein. Jede Position kann ich mit einer zu meinen Überzeugungen passenden Wahrscheinlichkeit versehen.
Was den gläubigen Teil in mir anbelangt, stellt sich aber die Frage, ob ich irgendeine Beziehung zwischen meinem Leben hier auf Erden und einer möglichen Fortsetzung in einem möglichen "Jenseits" sehe?
Wenn es ein Jenseits gibt, scheinen mir gute Taten eher die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen ins "Paradies" zu kommen, als dem Teufel zu opfern! Die Logik des Teufels habe ich versucht in meinem nächsten Post "Die Abgründe des Menschlichen am Beispiel des Nationalsozialistischen Deutschlands" zu erläutern. Auf die Logik Gottes möchte ich im Post "Die Entstehung der modernen Welt" zu sprechen kommen.
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