Mittwoch, 19. Dezember 2012

Die Entstehung der modernen Welt

Ausgangspunkt dieses Posts soll die Erkenntnistheorie sein, insbesondere diejenige Humes und Buddhas. Inspiriert ist dieser Post aber auch von der Auseinandersetzung mit „der dunklen Seite der Macht“ und der Foucaultschen Machtanalyse. Beide - Hume und Buddha - meinen erkannt zu haben, dass Kausalität eine Illusion sei. Im Denken entsteht so ein Moment der Schwerelosigkeit. Während der Buddhismus eine Ethik der Askese lehrt, wurde Hume zusammen mit Smith zum Begründer der modernen Wirtschaftstheorie. Der buddhistische Weg lehrt wie man den Daseinsdurst löscht, die Ökonomie zeigt wie Begehren und Wohlstand geschaffen werden.
Im Gegensatz zur alten Machtlogik der voraufklärerischen Zeit ist mit dem ökonomischen Denken und der amerikanischen und der französischen Revolution ein neues Zeitalter in der Menschheitsgeschichte angebrochen. Die Machtstrukturen der alten pharaonischen, römisch-imperialen und monarchischen Pyramiden wurden aufgeweicht und haben Raum geschaffen für die Entstehung der modernen Welt in der Neuzeit!
Damit die Moderne entstehen konnte, musste das Mittelalter überwunden werden. Dies war ein längerer Prozess, der um die 300 Jahre dauerte. Während dem Mittelalter war das Denken ganz durch den christlichen Glauben dominiert. Die Scholastik prägte das Weltbild. Alle Wesen hingen von einem höchsten Wesen – Gott – ab. Gott ist der Beste, Grösste und Höchste von allen und allem. Gott ist etwas, über das hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann. Die Philosophie war dabei nur die Magd der Theologie. Im ausgehenden florentinischen Mittelalter des 13. Jahrhunderts schrieb Dante seine „Göttliche Komödie“. Wohl am eindrücklichsten ist uns in Erinnerung geblieben, wie er die inneren Kreise der Hölle beschrieben hat. Sein Buch beschreibt als Jenseitsvision den Gang durch die drei Bereiche Hölle, Fegefeuer und Paradies. Sie kann als Allegorie für eine hoffnungsvolle Reise zu Gott verstanden werden.
In der Zeit um 1500 war es noch gar nicht eindeutig, dass es einmal Europa sein wird, welches die moderne Welt hervorbringen sollte. Bis ins 17. Jahrhundert dominierte noch das muslimische Osmanische Reich unsere Welt. Geprägt war dieses durch einen Glauben, welcher keine Zweifel aufkommen liess. Totale Unterwerfung unter den Willen Gottes wurde gepredigt (die Bedeutung von Islam). Der gläubige Muslim war aufgefordert den islamischen Glauben, zur Not, auch mit Gewalt durchzusetzten – der Dschihad. Die evolutionäre Psychologie legt nahe, dass der Islam als neue Offenbarungsreligion sich gegen das etablierte, friedlichere Christentum abgrenzen musste. Also entstand ein noch kämpferischer Glaube, welcher absolute Gehorsamkeit vor Gott verlangte.
Die chinesische Zivilisation war ebenfalls weit gediehen. Buchdruck mit verschiebbaren Lettern, Schiesspulver, der Kompass und Porzellan hat die Sung-Dynastie (960-1279) hervorgebracht. Dass China politisch geeint war und durch eine zentralisierte Bürokratie regiert wurde, kann nicht das alles entscheidende Hindernis gewesen sein. Wie wir sehen werden, wird auch Europa mehrere mächtige Imperien hervorbringen. Was sich jedoch als fataler Fehler herausstellen sollte, war dass das Reich der Mitte selbstgenügsam wurde. Zwischen 1424 und 1450 beschloss die Ming Dynastie internationale Reisen zu unterbinden. Die Entdeckungsreisen und der internationale Handel kamen zum Stillstand. Damit verlor China an Dynamik, wie später Adam Smith treffend betonen wird. Was war es nun, was Europa zur Wiege der modernen Zivilisation hat werden lassen?
Ernest Gellners These hat noch etwas von mittelalterlichem Denken an sich, wenn er behauptete, dass die polytheistischen Kulturen Asiens, mit ihrer religiösen Toleranz, nicht zur gleichen intellektuellen Rigorosität fähig waren, wie das monotheistische, christliche Europa mit seiner Suche nach dem einen, wahren Gott mit seiner einen Wahrheit. Dieses Denken verkörperte auch der muslemische Glauben des osmanischen Reichs. Wohl gleich hart oder meiner Meinung nach noch härter. Philosophische Klassiker, wie Aristoteles, wurden ebenfalls rezipiert. Es war gerade das christlich-katholische Mittelalter, welches Europa für 1000 Jahre die Dynamik raubte. Dies soll die weitere Argumentation darlegen. Warum Indien nicht zur Wiege der Moderne wurde, kann hingegen wohl mit seiner Religion erklärt werden. Der Hinduismus hat mit seiner Kastengesellschaft das gesellschaftliche Gefüge zementiert. Der mystische Alleinheitsglaube der Advaita Vedanta hat etwas Totalitäres. Der vom Volk gelebte Polytheismus war dagegen vielleicht doch zu „postmodern“ und liess es an intellektueller Strenge fehlen.  Der Buddhismus war mit seiner Weltentsagung nicht genügend motivierend um sich in dieser Welt vom Begehren einspannen zu lassen. Schliesslich kam für Indien erschwerend hinzu, dass es gerade in der Zeit um 1500 unter den Einfluss des islamischen Mogulreichs geriet.
In Abgrenzung zu Gellner will ich eine differenziertere These vertreten. Nämlich, dass es ein gewisses Mass an „postmodernem Denken“ war, welches das Entstehen der Moderne ermöglichte. Nun beisst sich hier die Katze in den eigenen Schwanz. Von der Postmoderne können wir erst nach der Entstehung der Moderne reden. Aber mir gefällt dieser Begriff, wie er von Paul Feyerabend in seinem wissenschaftstheoretischen Buch „Wider den Methodenzwang“ (1975) eingeführt wurde, so gut. Er verdeutlicht eindrücklich die Bedeutung der Kreativität und wie selbst heilige Lehren nicht für unumstösslich gelten dürfen. Im Folgenden werden wir versuchen, einen reflexiven Prozess zu starten. Die Moderne hat die Postmoderne hervorgebracht. Mit Hilfe des postmodernen Denkens wollen wir nun versuchen, die Entstehung des modernen Denkens besser zu verstehen. Der Leitfaden der Argumentation wird sein, dass es ein Wechselspiel von Extraktionslogik und Ungleichheit und ein ins Plurale gerichtetes, innovatives Denken – innovative Inklusivität und Gleichheit – waren, welches die moderne Welt in Europa haben entstehen lassen. Es ist ein kleiner Versuch einer pluralistischen Weltgeschichte des Geistes. Das Ganze wird am Schluss des Posts zusammengefasst und soll zeigen, wie es das Denken einer postmodernen, taoistischen Evolutionären Spiritualität inspirieren kann.
Damit die moderne Welt und ihre Wissenschaft entstehen konnte, musste zunächst das monolithische, gottesfürchtige Mittelalter beiseite geschoben werden, wie ein schwerer, steinerner Grabstein. Das Mittelalter brachte zwar schöne gotische Kathedralen von gottesfürchtigen Menschen erbaut hervor, v.a. in Frankreich, aber grundlegende Innovationen unterblieben. Das Mittelalter kam durch zwei revolutionäre Umwälzungen im Denken und Glauben zu seinem Ende. In der Welt des Geistes war es der Beginn der Renaissance. In der Welt des Glaubens der Beginn der Reformation. Es war aber erst die Erfindung des europäischen Buchdrucks, welche es dem neuen Denken ermöglichte Breitenwirkung zu entfalten und nachhaltig zu wirken. Schliesslich kam mit der Entdeckung Amerikas das alte Machtgefüge Alteuropas aus dem Gleichgewicht.
Mit Beginn der Renaissance durfte antikes, heidnisches griechisch-römisches Denken wieder aufleben. Der Mensch rückte wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Es war das Zeitalter des Humanismus. Mit der Renaissance um das italienische Florenz herum, begann sich der mittelalterliche Klotz langsam zu bewegen. Es war aber keine friedliche Welt in und um Florenz, welche dies ermöglichte. Ohne die geringsten Skrupel oder Tabus untersuchte Machiavelli die Mittel der Macht. Machiavelli gab seinem Fürsten grausame Ratschläge, wie er an der Macht bleiben konnte. Es wurde aber dennoch pluraler. Es gedieh neben Machiavelli auch ein Leonardo da Vinci. Schliesslich fand die Renaissance mit Galileo Galilei im wahrsten Sinne des Wortes ihren Zenit. Er stellte das alte, überlieferte Weltbild auf den Kopf. Wagemutig behauptete er, dass nicht die Erde der Mittelpunkt der Welt sei, sondern dass sie vielmehr um die Sonne kreise. Aufbauend auf Kopernikus und gestützt auf seine eigenen Beobachtungen mit seinem eigenen Fernrohr wahren seine Einsichten wissenschaftlich fundiert. Der Papst in Rom jedoch hielt am alten, heiligen, angeblich unfehlbaren Dogma fest. Galileo Galilei musste seine weltbilderschütternde Erkenntnis im päpstlichen Rom widerrufen. Das bunte Renaissance-Treiben wurde zum Schweigen gebracht. Besonders im päpstlich imperial-christlichen Italien, aber auch insgesamt scheint die lateinisch-katholische Kultur für längere Zeit weniger innovativ zu bleiben. Italien verlor an Bedeutung für das weitere Geistesgeschehen. Geblieben ist natürlich der Papst in Rom mit seiner Rolle als Oberhaupt und geistigem Zentrum der inzwischen weltumspannenden katholischen Christenheit von über einer Milliarde Menschen.
Zurzeit um 1500 muss die Christenheit in Europa verunsichert gewesen sein. In ihrem Kalender stand eine grosse Zeitenwende an. Eine Strukturperiode von 500 Jahren ging ihrem Ende zu. In ihrem Ringen um Orientierung in dieser Welt wurden "Experimente" gewagt und Entdeckungsreisen gestartet. Die Aufregung um das Ende des Maya-Kalenders übermorgen und ein mögliches Ende der Welt hat ein klein wenig etwas davon.
In England lebte um 1500 Thomas Morus. Er schrieb die erste Utopie der Neuzeit. Der Begriff geht auf ihn zurück. Er beschreibt in seinem Buch das Leben einer idealen Gesellschaft auf der fiktiven Insel Utopia. Dreissig Jahre nach seinem Tod kam der englische Nationaldichter Shakespeare auf die Welt. Seine Lebensphilosophie kann vielleicht so zusammengefasst werden:
„There is a tide in the affaires of men,
Which, taken at the flood, leads on to fortune;
Omitted, all the voyages of their life
Is bound in shallows and in miseries.”
In Deutschland lebte in der freien Reichsstadt Nürnberg um 1500 Albrecht Dürer. Er war ein grosser Künstler, aber sein wahrscheinlich aufsehenerregendstes Buch war die „Apokalypse“. In ihm gewannen die Visionen der Endzeit aus der Bibel durch seinen Holzschnitt dramatischen bildlichen Ausdruck.
Für die Entstehung des Wohlstands der modernen Welt war der Anbruch des Kapitalismus entscheidend. Im langen 16. Jahrhundert began die Kapitalakkumulation und das frühkapitalistische Denken in wichtigen Hafenstädten wie Venedig, Amsterdam und Brügge. Das System der doppelten Buchhaltung und erste Börsen entstanden. Aber der richtige Durchbruch kam erst im 18. Jahrhundert mit dem Schotten Adam Smith und seiner Entdeckung der Win-Win-Logik im freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Neben dem ökonomischen Denken sind es v.a. die Erfindung von Wissenschaft und Technik, welche unseren heutigen Wohlstand ermöglicht haben.
Die Entstehung der modernen Wissenschaft ist wohl aus dem Drang, die Welt bessere zu verstehen und einen Weg zu Gott zu finden, hervorgegangen. Max Weber argumentiert überzeugend in diese Richtung. Aber der Glaube, dass die Wissenschaft - ähnlich der Religion – den Sinn der Welt entschlüsseln könnte, muss als gescheitert gelten. Die wissenschaftliche Methode - basierend auf Empirie und Experiment - hat sich zu einem von Religion unabhängigen „harten Kern“ herausgebildet. Dennoch kommt es mir so vor, als ob die vorherrschende Religion immer noch die geistige Atmosphäre mitbestimmt, in welcher wissenschaftliches Denken stattfindet. Das katholische Denken mit seiner Hierarchie hin zum Papst als alleinigem und realem Stellvertreter Gottes auf Erden ist hemmend für die Phantasie und unterdrückt grundsätzliche Innovationen im Bereich des Geistes. Das Element des Pluralen fehlt. Ein katholisch geprägtes Denken ist gut geeignet für Leistungen nach festen Regeln. So bringt das rationalistisch geprägte Frankreich heute immer noch Descartes der Kognitionswissenschaften hervor. Also ein Bereich, der besser mit dem wissenschaftstheoretischen Ansatz von Lakatos beschrieben wird.
Zurück aber zum Kapitalismus und seiner Machtlogik. Der Kapitalismus versucht immer mehr Menschen, Tiere und natürliche Ressourcen immer stärker für die eigenen Bedürfnisse einzuspannen und rechtfertigt dies damit, dass auch für den anderen etwas drin liegt. Der Wohlstandspyramide entlang findet auch ein trickle down statt. Hier wollen wir nun mit einer soziologischen Machtanalyse einsetzten und zeigen, was passiert, wenn die Extraktionslogik überhand nimmt. Im politisch-gesellschaftlichen Bereich unterbleiben Innovationen. Längerfristig können auch soziale Unruhen entstehen oder gar Revolutionen hervorbrechen.
Es war der abenteuerhungrige Genuese Christoph Kolumbus, dem 1492 die (Wieder-) Entdeckung Amerikas gelang. Allerdings hat erst sein Kollege Amerigo Vespucci erkannt, dass Kolumbus nicht in Indien angekommen war, sondern einen völlig neuen Kontinent entdeckt hatte. Wie die weitere Geschichte zeigen sollte, ist die Frage, ob eine reine Extraktionslogik oder eine inklusive Innovationslogik vorherrschend sind, für das weitere Gedeihen von Nord- und Südamerika und weit darüber hinaus von zentraler Bedeutung!
Mit der Entdeckung Amerikas 1492 waren die Spanier und später auch die Portugiesen im Vorteil. Ganz Zentral- und Südamerika, also das heutige Lateinamerika, sollte zu ihrem Herrschaftsbereich werden. Kulturell geprägt waren sie dabei durch den stark hierarchischen katholischen Glauben. Das Gebiet der heutigen USA ist hingegen Kolonialgebiet der Engländer geworden. Deren Church of England war eine etwas progressivere Kombination aus Katholizismus und Reformation. Die vom Virus der Reformation am stärksten Infizierten haben sich, vertrieben durch Verfolgung in der Alten Welt, nach Nordamerika abgesetzt. Während die spanischen, katholischen Konquistadoren ihre Kolonien alleine der reinen Tributlogik folgend (d.h. der Machtlogik des Stärkeren) ausbeuteten und das längerfristig ineffiziente Wirtschaftssystem des Merkantilismus installierten, war im englischen Empire schon etwas vom Handelsgeist aufgewacht. Im imperialen Rennen um einen besseren Platz an der Sonne hier auf Erden hatten die Spanier mit der Entdeckung Amerikas zunächst die Nase vorn. Während dem 16. und 17. Jahrhundert dominierte das Spanische Imperium. Die Krone der Herrschaft ging im 18. und 19. Jahrhundert jedoch an die Briten über. Die Zeit der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts brachte aber auch für die Briten eine Zeit des Umbruchs. Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg konnten sich die 13 nordamerikanischen Kolonien der Kontrolle durch England entziehen. Mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 begann die Geschichte der freien, vom englischen König unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika. Es war wohl auch etwas vom freieren Geist der amerikanischen Protestanten und der religiösen Vielfalt ihrer verschiedenen Bekenntnisse, welche sie gegen den katholischeren englischen König aufbegehren liess. Innerhalb des britischen Königreichs braute sich auch vom nördlichen, schottischen Rand Grossbritanniens her eine Revolution zusammen - eine Revolution des Geistes. Adam Smith überdachte die Grundlagen für den "Wohlstand der Nationen". Das Buch erschien im amerikanischen Revolutionsjahr 1776, was wohl seine Brisanz für die damalige Zeit verdeutlicht. Er kam zum Schluss, dass Kolonien überflüssig sind. Freihandel sollte den protektionistischen Merkantilismus ersetzen. Er ist damit zum geistigen Wegbereiter der ökonomischen Win-Win-Logik im freien Spiel von Angebot und Nachfrage geworden. Totale politische Kontrolle ist für längerfristigen Wohlstand nur hinderlich. Hier kann ein entscheidender Wendepunkt in der Ideengeschichte lokalisiert werden. Aus seinem Denken ist die moderne Ökonomie hervorgegangen, mit ihrem Glauben an selbstreguliernde Märkte. Ein Denken, dass mir nicht nur von der newtonschen Physik her beeinflusst scheint, sondern auch Übereinstimmungen mit chinesischem Yin-Yang Denken hat. Die Aufklärer versuchten ihren geistigen Horizont auch geographisch so weit wie möglich ausschweifen zu lassen. Dies hiess damals bis nach China. Smith erkannte zugleich, dass die Menschen - neben Machtstreben und Egoismus - sich auch von Sympathie und Mitgefühl leiten lassen. Er verinnerlichte die moralische Kontrolle und übergab sie einem fiktiven "unparteiischen Beobachter" (the Impartial Spectator). Dem Ideal von einem fairen Schiedsrichter. Das gesellschaftliche Leben im Aufklärungsgebiet Glasgow (einem wichtigen Hafen im transatlantischen Handel) und Edinburgh, dem Athen des Nordens, war dermassen verfeinert, dass es einen Adam Smith und David Hume hervorbringen konnte. David Hume ist der geistesgeschichtlich noch herausragendere Zeitgenosse von Smith vor Ort und darf nicht unerwähnt bleiben. Er war ein Ketzer. Er zermalmte die Gottesbeweise in seinem "Dialog über natürliche Religion". Erkenntnistheoretisch kam es bei ihm zum "Filmriss". Kausalität ist nicht wirklich. Wir erleben sie nur so, weil wir uns das Nacheinander von Ursache und Wirkung gewohnt sind. Was die Welt aber wirklich zusammenhält, wissen wir nicht. Der Dalai Lama erklärt die Logik des buddhistischen Denkens ähnlich nihilistisch. Es gibt kein Wandel im Sein, vielmehr ist alles wesenlose Erscheinung.
Im Unterschied zu den Buddhisten setzte das Denken Humes – nach diesem Moment der Schwerelosigkeit – anders ein. Seine Antwort war nicht das buddhistische Verlöschen des Daseinsdurstes, sondern vielmehr brachte das Begehren bei ihm den Lauf der Kausalität wieder in Gang. Als ein radikaler Empirist war er ein typischer, britischer Verächter des französischen Rationalismus. Für die Ethik ist sein Sein-Sollens-Fehlschluss interessant. Für die Ökonomie sind seine Überlegungen zu den Eigentumsrechten von grosser Bedeutung. Eigentum ist kein feudalistisches Naturrecht, wie es noch Locke sah, sondern begründet sich als Anreizmittel durch die Knappheit der Ressourcen. Weiter hat er Beiträge zum Handel geliefert und die Grundlagen einer monetaristischen Inflationstheorie vorweggenommen.
Nach Hume bleibt in England vom Berkeleyschen subjektiven Idealismus rein gar nichts mehr übrig. Dessen Denken hatte sich einmal als radikal religiös-spirituelle Alternative gegen den Rationalismus Lockes und die newtonsche Doktrin von absolutem Raum, Zeit und Bewegung gerichtet.
John Locke war ein liberaler Vordenker. Seine politische Philosophie beeinflusste die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, deren Verfassung und die Verfassung des revolutionären Frankreichs. In seinem Werk „Two Treatises of Government“ argumentierte Locke, dass eine Regierung nur legitim sei, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden.
Leser meines Blogs wissen, dass ich spirituell asiatisch inspiriert bin. Also einer Mischung aus hinduistischer Alleinheit und Holismus, friedlichem buddhistischem Nihilismus und taoistischer Harmonie von Yin und Yang (im Gegensatz zum harten Denken der Dialektik). Nun scheint es mir, dass im 17. und 18. Jahrhundert ähnliche Denkmuster in Grossbritannien aufgetaucht sind. Der Taoist Smith, der nicht-buddhistische Nihilist Hume und als spiritueller Herausforderer von Locke und Newton – der subjektive Idealist Berkeley. (Heute verkörpert die UC Berkeley den amerikanischen Inbegriff für intellektuellen Eskapismus.) Was vor der Schottischen Aufklärung angefangen hat - die Schottische Reformation - beeinflusst von Calvin in Genf, hat bis heute überdauert als die reformiertere und liberalere Kirche in Grossbritannien, im Vergleich zur Chruch of England. Es ist am Rande des mächtigen britischen Königreichs, an dem freiheitlicheres Denken und Handeln möglich wurde - die USA in Nordamerika und die Schottische Aufklärung im Norden Grossbritanniens.
Rund zwei Jahrhunderte nach der Entdeckung und Eroberung Amerikas durch Spanien, welches seine Eroberung mit den Portugiesen teilen musste, hat das friedlichere, liberalere, pluralere Britische Empire die Führung übernommen. Mit Adam Smith und der Abspaltung der USA kam die Profitlogik – im Gegensatz zur Tributlogik - in einem Empire, dessen Fundament auf einem Netzwerk von weltumspannenden Handelskolonien basierte, stärker zum Durchbruch. Dies die Situation um 1800. Durch den Verlust der USA war das Empire zunächst geschwächt, aber der entfachte transatlantische Handel machte schliesslich beide Länder reich. Die USA mussten im 19. Jahrhundert zunächst noch die Grenzen ihrer Zivilisation – die Frontier - bis an ihre Westliche Küste vorschieben, durch einen blutigen Bürgerkrieg gehen bis die Sklaverei in ihrem eigenen Land abgeschafft war und sich Industrialisieren, bis sie nach zwei katastrophalen Europäischen Bürgerkriegen die Rolle der globalen Führungsmacht übernehmen konnten.
Das Britische Empire entwickelte sich in der Zeit des „zweiten Empires“, trotz oder gerade wegen dem Abfall der USA, erfolgreich weiter. Es orientierte sich neu nach Süden, nach Afrika, und nach Osten, nach Asien und den Pazifik. Nach der Niederlage des Napoleonischen Frankreichs 1815 konnte sich das Britische Imperium während dem 19. Jahrhundert fast unbeschränkt ausbreiten. Siedlungen weisser Kolonisten wurde zunehmend eingeschränkte Autonomie gewährt. Am Ende des Ersten Weltkriegs hatte das Empire seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Es beherrschte rund einen Viertel der Welt (geographisch und bevölkerungsmässig).
Das französische Imperium nahm eine andere Entwicklung. Es befand sich in Rivalität zum Britischen Empire. In Nordamerika konnten sich die Franzosen nicht halten. Von Ägypten bis Südafrika und in Indien herrschten ebenfalls die Briten. So blieb den Franzosen nur Westafrika und Hinterindien – Indochina. Das französische Imperium war wieder das Produkt einer reinen Tributlogik und auf Merkantilismus aufgebaut. Der König und ganz Frankreich waren Katholisch. Mit der Bartholomäusnacht 1572 begann die blutige Vertreibung der französischen Protestanten. Im Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) entlud sich der protestantisch-katholische Gegensatz auf schrecklichste Art und Weise weiter. Natürlich ging es hier nicht immer nur um Religion, sondern v.a. auch um Hegemonialmacht. Aber ich möchte die längeren Entwicklungslinien im Auge behalten und mit einem feinen Pendel den Lauf der Religionen verfolgen. Das französische Gottkönigtum von Gottes Gnaden liess sich im 17. Jahrhundert mit dem Sonnenkönig Luis XIV als kollektives Sinnprojekt für die Franzosen das prunkvolle Schloss Versailles erbauen. Dies war dann jedoch zu viel an Extraktion für ein paar Wenige. Inklusive Innovativität in anderen Bereichen als der Verwirklichung von maximalem Luxus für einen – den Sonnenkönig - unterblieb.
Nach zwei Jahrhunderten hatte sich der gottesfürchtige, aber innovationsfeindliche Monolith des Mittelalters soweit aufgelockert, dass im liberaleren England (im Vergleich zu Frankreich, Italien und Deutschland), Newton die moderne Physik in Gang bringen konnte. Die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie) erschien erstmals 1686. In ihr entwickelte Newton, aufbauend auf seiner Gravitationstheorie, die Grundlagen der Mechanik. So etwas Gewaltiges, wie die Begründung der modernen wissenschaftlichen Methode, konnte nur in Oxford oder Cambridge passieren. Wieder ist es nicht überraschend, dass es das jüngere Cambridge war, in dem Newton lehrte. Die psycho-sozialen Machtkräfte müssen auf Newton so gewirkt haben, dass er die Gravitationslehre entdeckt hat. Die Kraft, welche die Dinge in unserer Welt zusammenhält. Die Physik des 21. Jahrhunderts hat diesen Kraftfaden aufgenommen und relativiert. Im Schwarzen Loch soll selbst die Zeit gekrümmt werden oder sogar untergehen. Ganz sicher bewiesen, ist dies aus unserer Zeitlinie heraus jedoch nicht. Das Gegenbild zu diesem Maximum an „Schwarzer Energie“, ist die Metapher des „Weissen Lochs“. Es ist die positive, hoffnungsvolle, kreative, lebensspendende Liebes-Energie in unserer Welt. Wenn wir sterben, ist die Frage, ob unser Bewusstseinswölkchen in die Gravitation hinein kollabiert. Aber als Seele vielleicht doch zu einer heiligen Mitte hin? Oder wird unser Bewusstsein mehr „frei“, in dem Sinne, wie sich das die Leute im Mittelalter vorgestellt haben. Dass die Seele zu Gott in den Himmel aufsteigen wird?
Die moderne Naturwissenschaft heute hat jedoch kaum mehr etwas mit Religion zu tun. Sie ist das Ergebnis von Experimenten, das Ergebnis von Versuch und Irrtum. Die Welt und ihre Strukturen sind ungewiss, aber mit hartem Nachfragen entschlüsselt sich einem ein Teil der Schöpfung.
England konnte dank solchem bahnbrechendem wissenschaftlichem Fortschritt sich als erste Nation der Welt im 18. Jahrhundert industrialisieren und so auch weiter sein Imperium ausbauen. Der Absolutismus und die Grundherrschaft waren im 18. Jahrhundert früher als in anderen Ländern Europas gelockert worden, so dass die Voraussetzungen für die freie Ausbreitung des Handels, der Kapitalbildung und der technischen Innovation geschaffen waren. Meilensteine waren die Erfindung der Dampfmaschine (1712, entscheidende Weiterentwicklung 1769 durch James Watt), der Spinnmaschine, des mechanischen Webstuhls und die Erfindung der Dampflokomotive. Dieser auf Kapitalismus und Technik basierende Vorsprung an Wohlstand liess nun im Politischen aber Dynamik verpuffen. Seit dem 17. Jahrhundert wurde der König zwar zaghaft etwas in seine Schranken verwiesen, zu nennen sind die Petition of Rights (1628), der Habeas Corpus Act (1679) und die Bill of Rights (1689). Aber bis heute ist das Vereinigte Königreich eine Monarchie geblieben - wenn auch eine parlamentarische [!] - und hat keine geschriebene Verfassung.
Die moderne Demokratie - die Abschaffung des Königtums und des Adels - ist die Leistung einer anderen Nation. Es war im absolutistisch regierten Frankreich, wo die Französische Revolution hervorbrach und die alte Welt neu ordnete. Mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrecht 1789 hat in Europa eine neue Zeit begonnen! Beeinflusst von der Amerikanischen Revolution von 1776 - Thomas Jefferson hat an beiden Fundamentaltexten der modernen demokratischen Ära mitgeschrieben – kam es mit der Französischen Revolution zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Nach Gründung der demokratisch verfassten Vereinigten Staaten von Amerika 1776 kam die Demokratie mit der Französischen Revolution ins Herz des alten Europas.
Der feudalistisch-absolutistische Ständestaat wurde abgeschafft und die Ideen der Aufklärung – Menschenrechte und Demokratie – fanden einen Neuanfang. Dies nachdem die direkte Demokratie des klassischen Griechenlands -322 ihr Ende fand und die römische Republik, eine Aristokratie mit demokratischen Elementen, -27 im Chaos unterging. Danach hat das Römische Imperium für ein halbes Jahrtausend die mediterrane Welt beherrscht. Aber auch die Französische Revolution sollte im allgemeinen Chaos in den blutigen Terror der Guillotine umschlagen und mit Napoleon ihren neuen Monarchen finden.
Im vorrevolutionären, absolutistischen Frankreich gärte eine Revolution. Wegbereiter waren die grossen Denker der französischen Aufklärung. Neben dem Kirchenkritiker Voltaire, den unermüdlichen Wissenssammlern um die Enzyklopädisten, sind mir zu Frankreich v.a. politische Philosophen in Erinnerung geblieben. Die Zeit war geprägt durch Vernunft- und Fortschrittsoptimismus. Montesquieu sprach sich für die Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative aus. Er schlug damit den Meissel ins absolutistische Frankreich. Der grösste Idealist aus dem Kreis der Wegbereiter der französischen Revolution war Rousseau. Aus der Calvin-Stadt Genf stammend, der Peripherie Frankreichs, war er der grosse Denker des modernen Gesellschaftsvertrags. Durch den Gesellschaftsvertrag sollten politische Institutionen ermöglicht werden, welche den Allgemeinwillen durchsetzen. Rousseau war dabei von der antiken griechischen Demokratie inspiriert und argumentierte gegen den Gesellschaftsvertrag der totalen Unterwerfung unter den Leviathan von Hobbes. Hobbes lebte und wirkte rund hundert Jahre vor Rousseau in einer Zeit politischer Wirren in England. Hobbes ging von einem Krieg aller gegen alle aus und dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Rousseau dagegen verklärte den Menschen und sah in ihm den edlen Wilden. Der ursprünglich gute Mensch sollte aus der Verdorbenheit der menschlichen Zivilisation befreit werden. Condorcet ging einen mittleren Weg und betonte, dass der Vorteil der Demokratie in pluraler Meinungsbildung liegt.
Wie die weitere Geschichte indessen gezeigt hat, ging aus den Wirren der Französischen Revolution wieder ein neuer Kaiser hervor – Napoleon. Mit seinem Heer durchzog er Europa. Er war einerseits geleitet von den Idealen der Französischen Revolution und brachte den unterworfenen Völkern das Zivilgesetzbuch (code civil), anderseits begann mit ihm der Aufstieg des Empire français. Es wurde – nach dem Englischen Empire – das zweitgrösste während dem 19. Jahrhundert.
Die deutsche Reichs- und Nationenbildung war durch die Reformation und das Fehlen natürlicher Grenzen verzögert worden. Während der Reformation kam es zur konfessionellen Spaltung Deutschlands. Der Fürst oder König entschied, welcher Glaube in seinem Land gelten sollte. Da nicht alle Fürsten oder Könige sich zum gleichen Glauben bekennen konnten, kam es zur Aufspaltung Deutschlands in einen grossen Flickenteppich. Das österreichische Habsburgerreich blieb hingegen geeint unter ihrem katholischen Kaiser. Der erste und zweite Weltkrieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann als Folge der verspäteten Imperien-Bildung Deutschlands gesehen werden. Die Welt war im wesentlichen schon zwischen Engländern und Franzosen aufgeteilt. Die beiden Weltkriege waren der vergebliche Versuch Deutschlands selber eine Vormachtstellung als Weltmacht aufzubauen.
Aber zurück ins 18. Jahrhundert als der Protestant Kant am äussersten östlichen Ende des Königreichs Preussen lebte. Er war ein heimlicher Bewunderer der Französischen Revolution und sah in einer Universalisierung der Demokratie die Möglichkeit für einen zukünftigen Weltfrieden. Seine herausragende Leistung sollte jedoch erkenntnistheoretischer Natur sein. In jungen Jahren fühlte er sich noch von der Esoterik Swedenborgs angezogen, anderseits schreckte ihn der Tod. So begann er sich im Denken zu orientieren. Was ihm dabei gelang, war die grosse kopernikanische Wende in der Philosophie. In seiner grossen Synthese zeigte er die Grenzen der Erkenntnis auf. Es war Hume, der ihn aus seinem dogmatischen Schlummer befreite. Aber anders als die radikale „Filmriss“-Erkenntnistheorie Humes, welche die Kausalität ausser Kraft setzte, fanden bei Kant der britische Empirismus und der französische Rationalismus zu einer neuen Synthese. In der „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) legte er dar, wie wir nicht die Welt an sich erkennen, sondern nur die Welt, wie sie uns erscheint. Es sind die Strukturen unseres Verstandes, welche unsere Wahrnehmung bestimmen. Die Welt erscheint uns aus dem Zusammenwirken von Sinnlichkeit und Verstand. Kant arbeitete am Problem, warum unser Verstand wie ein Schlüssel ins Loch der Natur passen sollte und postulierte, dass dem nicht so sei und das es noch „mehr“ gebe, als die Welt der Erscheinungen. Es ist jedoch erst die moderne evolutionäre Erkenntnistheorie, welche uns die kantsche Erkenntnisschranke richtig deutlich macht. Unser Gehirn hat sich in Interaktion mit seiner Umwelt herausgebildet. Die Gehirne der Tiere durchliefen einen langen, evolutionären Suchprozess. Diejenigen Tiere, welche ihre Umgebung am besten wahrnehmen konnten und sich fortbewegten, überlebten. Wenn sie es bis zur Fortpflanzung schafften, konnten sie diese wertvollen Gene weitergeben. Dies bedeutet für uns Menschen, dass wir nur relativ gut unsere Um-, Mit- und Innen-Welt erkennen können. Es ist jedoch kaum wahrscheinlich, dass wir die Welt erkennen, so wie sie wirklich ist! Als SciFi-Fantast kann ich mir sogar vorstellen, dass die Menschen einmal mit Hilfe künstlicher Mittel die Leistungsfähigkeit ihrer Gehirne werden steigern können. Jedoch werden sie wahrscheinlich auch dann nicht die Wirklichkeit, wie sie als solche ist, erkennen. Selbst wenn wir einmal meinen Gewissheit erlangt zu haben, dass wir wirklich die Realität so wahrnehmen, wie sie wirklich ist, bleiben die übrigen Erkenntnisschranken Kants. Wahrscheinlich werden auch die Menschen der Zukunft nicht verstehen, wie die Welt im Allerkleinsten funktioniert. Irgendwann wird es nicht mehr möglich sein, mit Hilfe von Teilchenphysik noch tiefer in die Strukturen der Materie eindringen zu können. Ebenso werden sie nicht wissen, was sich jenseits der äussersten Grenze des Universums befindet. Erkenntnisse über den wahren Beginn der Zeit oder ihr Ende werden sie wahrscheinlich auch nicht erlangen. Materie, Raum, Zeit und Energie werden letztlich undurchdringliche Geheimnisse bleiben. Die theoretische Physik, gestützt auf die Beobachtung, welche sie von der Erde oder aus dem erdnahen Raum machen kann, hat zwar gewaltige Theorien über die Relativität von Raum und Zeit, verursacht durch Gravitation, entwickelt. Scheinbar meint sie auch genau zu wissen, wie das ganze Universum aus dem Big Bang hervorgegangen ist und entweder im Big Chrunch wieder zusammenfallen wird oder auf ewig auseinanderstreben wird. Aber wie uns die Wissenschaftsgeschichte lehrt, müssen wir immer mit Überraschungen rechnen. Es gilt immer noch das Falsifikationsprinzip von Popper. (Vielleicht sieht die ganze Sache ja vom Rande des Universums her betrachtet anders aus? Wenn wir nur dorthin gelangen könnten…)
Vielleicht wird auch einmal wirklich Gott zu uns sprechen. Nur da ich glaube, dass er dies bis heute noch nicht getan hat, müssen wir uns auch weiterhin mit der Auslegung seiner Schöpfung begnügen. Dabei kann das Studium der verschiedenen Religionen sehr stimulierend sein. Durch den richtigen Religionscocktail kann das Gottesmodul in unserem Hirn noch besser in Schwingung gebracht werden. Ich rede hier von Gottesmodul, weil wir Menschen als grundsätzlich religiöse Wesen aus der Evolution hervorgegangen sind. Die Religionen können als Botschaften aus der kosmologischen Tiefenzeit verstanden werden, welche durch die Evolution und Geschichte bis hin zu uns heute gelangt sind. Ihre Grundbotschaft ist eigentlich immer die gleiche: Werdet friedlicher, dafür wird es ein mehr an Transzendenz (im Jenseits, in einer anderen Welt oder in Form einer besseren Inkarnation in dieser Welt) geben. Um diesen Glauben zu verankern, muss man dann bestimmte Regeln einhalten. Dies ist insbesondere von grosser Bedeutung, weil die moderne Neuroforschung und Bewusstseinsphilosophie nahe legen, dass die Möglichkeit für eine Seele gegeben ist!
Aber kehren wir zu Kant ins ausgehende 18. Jahrhundert zurück. Kant war von Hause aus frommer Pietist. Darum konnte ihn auch ein Swedenborg für eine gewisse Zeit in seinen Bann ziehen. Swedenborg berief sich auf die Bibel, verkündete aber auch, dass er selbst Gespräche mit Engeln und Geistern geführt hat. Nach Kants Erkenntniskritik blieb nichts mehr von theosophischer Esoterik übrig. Seine protestantische Herkunft blieb jedoch in ihm wach und er wurde zum Begründer einer Vernunftreligion. Damit wir uns als moralische Wesen begreifen können, sind individuelle Entscheidungsfreiheit, eine unsterbliche Seele und Gott als Garant für die Existenz einer moralischen Ordnung notwendig. Nach Kant sind wir in unserem Handeln hin und her gerissen zwischen gutem und bösem Prinzip. Wir sollten jedoch die Moral als Gebote Gottes verstehen und auf einen Ausgleich im Jenseits hoffen.
Mit Hegel bewegte sich das Zentrum der deutschen Philosophie vom äussersten Rande Ostpreussens ins Zentrum Preussens, nach Berlin. Der neue Denkversuch wird in seinem Anspruch umfassender, ja totalitär. Hegel versuchte nach Kant und gegen Kant einen neuen Anlauf und postulierte, das absolute Wissen gefunden zu haben. In einer Phänomenologie des Geistes untersuchte er den Gang des Weltgeistes durch die Weltgeschichte. Seine analytische Methode war das dialektische Denken. Eine Form von Synthese, welche Gegensätze aufhebt und als neue Einheit auf eine höhere Ebene bringt. Hegels Weltgeist hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem hinduistischen Denken vom Wirken des Brahmans, nur dass Hegels Weltgeist historisch, zeitlich dynamisiert ist.
Hegels Gegenspieler seinerzeit vor Ort war Schopenhauer. Er zeichnet mehr ein buddhistisches Weltbild. Bei ihm verkommt das Rationale zum Anhängsel des Nicht-Rationalen. Was der Welt zugrunde liegt, ist ein reiner Wille, selbst grund- und erkenntnislos. Und weil er sich in der Regel auf das eigene Leben ausrichtet, ist er egoistisch und ruft dadurch Leiden hervor. Der ewig hungrige Wille findet nie eine dauerhafte Befriedigung. Die Welt ist unendlicher Mangel.   
Der Deutsche Idealismus – geformt durch Kant und Hegel - stand im Austausch mit der Weimarer Klassik und der Romantik. Der herausragendste deutsche Dichter jener Zeit war wohl Goethe. Er bringt die Hegel-Schopenhauer-Spannung vielleicht am schönsten auf den Punkt.
Habe nun, ach Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heissem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor
Und bin so klug als wie zuvor;
Und sehe, dass wir nichts wissen können.
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen.
Auch habe ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält.
An Stelle von Magie soll jedoch weiter der Ansatz von Hegels Weltgeist verfolgt werden. Hat er mich doch sehr beeindruckt und inspiriert. Zusätzlich möchte ich vorschlagen, das Wehen einer Weltseele (anima mundi) in die Betrachtung miteinzubeziehen und dafür den zeitlichen Horizont über die Menschheitsgeschichte hinaus auszudehnen bis hin zurück zur Entstehung der Erde aus Sternenstaub. Denn rein materiell betrachtet, bestehen wir alle – Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien aus dem selben Sternenstaub. Wie meine bisherigen Ausführungen jedoch versucht haben zu verdeutlichen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es noch „mehr“ gibt, als wir erkennen können! Was mag dies wohl sein? – Inspiriert von den Erkenntnissen der modernen Neuroforschung und interpretiert vor dem Hintergrund der modernen Bewusstseinsphilosophie besteht besonders für Menschen und bewusstseinsfähige Tiere die Möglichkeit, dass sie über eine „Seele“ verfügen könnten. Eine mögliche Sichtweise ist das Wirken einer Weltseele durch den Prozess der Kosmogenese, der Geogenese, der Biogenese und durch den Prozess der Evolution bis hin zu uns Menschen am walten zu sehen.
Dies ist die Perspektive der Evolutionären Spiritualität, also eines gewaltigen Panoramas, das sich uns Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigt - vom Big Bang bis hin zu uns heutigen Menschen. Es ist das taoistische Spiel von zwei Energien: einer schwarzen Energie, welche die Dinge zusammenhält und einer weissen Energie, welche Neues und Friedlicheres in dieser Welt hervorbrechen lässt.
Nach der Verklumpung der Erde aus Sternenstaub brodelte die Oberfläche noch feurig. Es kam jedoch zur Abkühlung und eine feste Erdkruste bildete sich aus (die schwarze Energie). Dann die Entstehung der Atmosphäre, welche Leben möglich machte (die weisse Energie). Das Leben entstand zuerst in den Meeren (schwarze Energie). Es konnte sich aber daraus befreien. Es glückte ihm an Land zu gelangen. Dort wurde das Leben vielfältiger (weisse Energie). Die Pflanzenwelt ist noch fest an den Boden gebunden (schwarze Energie). Die Tiere können sich jedoch frei bewegen (weisse Energie). Unter den Tieren kommt es zu einem schrecklichen Fressen und Gefressen werden (schwarze Energie). Die erfolgreichsten Jäger – nach dem T-Rex – sind jedoch die Löwen und Wölfe geworden (weisse Energie). Die Menschen sind diesen Raubtieren zunächst fast hilflos ausgesetzt (schwarze Energie). Gemeinsam werden sie jedoch stärker. Ihre Intelligenz ermöglicht es ihnen zusammenzuarbeiten und auch Waffen zu fertigen. Damit sind sie in der Lage, die Raubtiere zu bekämpfen und sich ihren Platz auf der Erde zu erobern (weisse Energie).
Die Menschheitsgeschichte fängt gemeinhin mit dem Bau der Pyramiden Ägyptens an, einem Maximum an Extraktionsenergie (schwarze Energie). Daneben und danach entsteht aber der friedlichere monotheistische jüdische Glauben und die griechische Philosophie (weisse Energie). Die griechische Demokratie kann sich jedoch nicht halten und wird in das römische Imperium integriert (schwarze Energie). Mit dem Untergang des römischen Imperiums beginnt der Siegeszug der Liebesreligion des Christentums (weisse Energie). Das Christentum verfestigt sich jedoch dogmatisch und wird zu einem monolithischen Block, welcher für die rund tausend Jahre des Mittelalters eine wesentliche Weiterentwicklung der Zivilisation verhindert (schwarze Energie). Die Renaissance und die Reformation, die Erfindung des Buchdrucks und die Entdeckung Amerikas bringen neues Leben ins Abendland (weisse Energie). Dieser Aufbruch mündet jedoch in der Gründung neuer Imperien, welche erst durch zwei schreckliche Weltkriege geschwächt werden (schwarze Energie). Mit der Entkolonialisierung der Dritten Welt und dem Zusammenbruch des kommunistischen Sowjetimperiums – der Zweiten Welt – kommt es zu einem noch nie dagewesenen Siegeszug von Demokratie und Marktwirtschaft (weisse Energie). Wie der Fluss von Extraktionslogik (schwarzer Energie) und inklusiver Innovation (weisser Energie) die letzten 500 Jahre gespielt hat, wollte dieser Post v.a. zeigen.
Die Geschichte der Menschheit kann als Prozess der Zivilisierung zusammengefasst werden. Die Geschichte der Religionen kann als Abfolge von religiösen Bildern gesehen werden, bei der es zugleich zu einer Steigerung der Dramatik, aber auch zu einer Steigerung der Hoffnungsbilder kommt. Die Philosophiegeschichte kann als Gang der Vernunft verstanden werden. Im 20. Jahrhundert fand sie ihr vorläufiges Ende in der lyrisch-nihilistischen, angsteinflössenden Seinsmystik Heideggers. Im französischen Strukturalismus und Poststrukturalismus, welcher das Wirken von Zeichen und Symbolen in der Geschichte untersucht und historische Bruchstellen herausarbeitet. Im angelsächsischen Raum wandelte sich diese Wirkanalyse von Zeichen in die Memetik. Ein Mem ist ein einzelner Bewusstseinsinhalt, ein Gedanke, der durch Kommunikation weitergeben und vervielfältigt werden kann. Ein Mem wird geboren, wenn das menschliche Nervensystem auf eine Erfahrung reagiert. Meme sind als Grundeinheiten Replikatoren von Informationen und unterliegen dem Prinzip der natürlichen Selektion. Das Mem kann als einfacher, informationstheoretischer Begriff in der Kognitions- und der neuronalen Bewusstseinsforschung nützlich sein, der eigentlichen Herausforderung unserer Zeit.
Was nun die weisse Energie anbelangt, ist die Schlussfolgerung nicht die, dass diese Welt nur aus Freiheit und reiner Liebe zusammengehalten wird. Vielmehr sind auch weiterhin die Bande der „schwarzen Energie“ notwendig, welche die Dinge zusammenhalten. In unserer Gesellschaft sind dies die hierarchischen Strukturen. Aber die Kreise der Liebe und Inklusion können immer grösser werden und die Innovation erhöhen – so die Logik der Steigerung des Wirkens der weissen Energie und helfen, die kumulative Schuld abzubauen!
Natürlich soll dies kein totalitärer Erklärungsversuch mehr im Sinne Hegels sein. Die Erkenntnisgrenzen von Kant und der evolutionären Erkenntnistheorie werden akzeptiert. Ebenso das Falsifikationsprinzip und der kritische Rationalismus Poppers, also die Möglichkeit, dass wir uns irren können. Sie sind vielmehr gerade der zentrale Angelpunkt der Argumentation. Aber angesichts unseres grundsätzlichen Unwissens über die letzten Strukturen der Welt, ist dies ein postmoderner
Versuch ein paar Spuren des Göttlichen in dieser Welt zu finden.

Literatur:
Ernest Gellner. 1988. Plough, Sword and Book – The Structure of Human History. University of Chicago Press.
Daron Acemoglu und James Robinson. 2012. Why Nations Fail – The Origins of Power, Prosperity, and Poverty. Crown Publishing/ Random House.
Paul Feyerabend. 1975. Against Method – Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge. New Left Books.
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Take the tools in hand and carve your own best life.

Oder ist ein tripolares Denken und sein Kräftewirken besser geeignet der Realität gerecht zu werden? – Dies soll am Beispiel des Evergreens „Die Insel“ verdeutlicht werden.
1.) Robinson Crusoe war auf einer wunderschönen tropischen Insel gestrandet. Ihn quälte jedoch die Einsamkeit. Er sehnte sich nach nichts mehr als nach einem Partner – Freitag. (Geschrieben 200 Jahre nach Utopia). – Die Logik des „Nicht-Genugs“
2.) Thomas Morus erlebte harte, turbulente Zeiten in England zu Beginn der Neuzeit. In seiner Phantasie entwickelte er jedoch die Grundzüge einer idealen Gesellschaft und verpflanzte sie an einen Nicht-Ort, auf die Insel Utopia. – Die Logik des „Nicht-Vorstellbaren-Viel-zu-Viels“
3.) Die entsetzlichen Nazis versuchten schliesslich den Traum einer Insel (wie der weisse Kreis im Zentrum ihrer Flagge andeutete) für die Volksdeutschen im Grossdeutschen Reich zu verwirklichen, umgeben von einem Europa, einer Welt in der das Blut nur so floss…  - Die Logik des „So-Ganz-Sicher-Nichts!“
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Nach der Suche nach spiritueller Evolution, wäre ein nächstes Thema für einen Post der Tod. Einmal der individuelle Tod, wie er ein Thema für den spekulativen Existenzialismus ist. Also einer Philosophie der Angst, des Mangels und des Scheiterns. Anderseits die Thanatologie, welche wissenschaftlich den Sterbeprozess untersucht.
Neben dem individuellen Tod, ist der kollektive Tod die noch schrecklichere Vorstellung. Der kollektive Tod kommt in der Natur in Form von Aussterben von Arten vor. In der biblischen Religion findet in der Apokalypse das Ende der Welt statt. Apokalyptische Bilder kommen ebenfalls in zahlreichen anderen Religionen vor. Z.B. das Ende des Maya-Kalenders, des Kali-Yugas oder das Ragnarök. Schliesslich das Auslöschen von ganzen Gruppen von Menschen einer bestimmten Religion oder Ethnie. Seit dem Alleingeltungsanspruch des Christentums ist die Judenfeindschaft ein durchgehendes Kennzeichen christlicher Theologie und es kam im Laufe der Geschichte immer wieder zu Ausschreitungen und Pogromen gegen Juden. Mit dem Holocaust versuchten die Nazis gar die Juden als ganze „Rasse“ auszulöschen. Aber auch in unserer Zeit kommt es immer noch zu Völkermorden, wie 1994 in Ruanda als die Hutus 75% der Tutsis ermordeten, das Massaker von Srebrenica in Ex-Jugoslawien 1995 und nicht zu vergessen, die killing fields Kambodschas (1975-1979).

Samstag, 15. Dezember 2012

Die Schweiz, das grüne Auenland im Auge des Hurrikans?

Zur Zeit der Weimarer Klassik um 1800 waren Goethe und Schiller miteinander befreundet. Goethe schrieb die Tragödie des Dr. Fausts, eine Auseinandersetzung mit Mephistopheles. Sein Freund Schiller stiftete mit dem Wilhelm Tell den Urmythos der Schweiz. Er projezierte ein Arkadien, ein Auenland in die damals ferne Alpenrepublik Schweiz. Sein Stoff ist ein Drama, der Freiheitskampf der zukünftigen Schweizer gegen ihre Unterdrücker. Den Abschluss findet die Tell Sage im Rütlischwur.
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
in keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,
eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.
Mit dem Bundesbrief von 1291 begann die Schweizer Eidgenosssenschaft. Zuerst als ein Schutz- und Trutzbündnis von Uri, Schwyz und Unterwalden. Diesem Nukleus der Urkantone schlossen sich immer mehr Kantone an. Bis 1797 hatte die Schweiz ihre noch heute gültigen Grenzen ausgebildet. Mit der Gründung der Schweiz als modernem Bundesstaat 1848 wurde die Schweiz zu einer Föderation, in welcher vier Sprachen gesprochen wurden und zwei Konfessionen zu einem mehr oder weniger friedlichem Zusammenleben fanden. Streitigkeiten zwischen den liberal-progressiven und den konservativ-katholischen Kantonen führten 1847 zuerst zu einem kleinen Krieg, dem Sonderbundskrieg. Nachdem das konservative Lager verloren hatte, wurde die Schweiz in einen modernen Bundesstaat umgewandelt. Die Confoederatio Helvetica wurde zu einem föderalen Bundesstaat nach US-amerikanischem Vorbild. Die Bundesverfassung von 1848 war die erste Verfassung der Eidgenossenschaft, die sich das Schweizer Volk selbst gab. Sie machte, weil die bürgerlichen Revolutionen in den Nachbarländern scheiterten, die Schweiz für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zur demokratisch-republikanischen Insel inmitten der Monarchien Europas. Da die Bundesverfassung in einem Bürgerkrieg wurzelte, stand ihr das in diesem unterlegene katholisch-konservative Lager anfänglich ablehnend gegenüber. Erst die Verfassungsrevision von 1874, welche den Übergang von einer repräsentativen zu einer halbdirekten Demokratie einleitete, ermöglichte die Aussöhnung der Katholisch-Konservativen mit dem liberalen Bundesstaat.
Während den darauf folgenden drei deutsch-französischen Kriegen bewahrte die Schweiz ihre Neutralität und konnte sich so aus dem Kriegsgeschehen heraushalten. Bis heute hat sich die rund 500 Jahre alte Neutralitätsstrategie - ungefähr seit Beginn der Neuzeit - für die Schweiz bewährt. Der einst armen Alpenrepublik gelang die Industriealisierung. Dank sozialem Frieden und politischer Stabilität konnte sich das Banken- und Versicherungswesen erfolgreich entwickeln. Heute ist die Schweiz eines der reichsten Länder der Welt und deswegen bis auf weiteres nur zu differenzierter Integration in die EU bereit. Die bewaffnete Neutralität ist Kern des schweizerischen Selbstverständnisses und hat sich bis heute bewährt.
Zusammen mit ihrem Reichtum gelang es dem Kleinstaat Schweiz auch wertvolles kulturelles Kapital zu akkumulieren. Der religiöse Gegensatz zwischen reformiert und katholisch fand einen friedlichen Ausgleich und kann auch als Vorbild für andere Länder der Welt dienen. Als Willensnation von vier Kulturen verbindet die Schweizer mehr als ihre Affinität mit der jeweiligen Kulturnation. Für die Religionsgeschichte von weltweiter Bedeutung sind die Reformatoren Calvin in Genf und Zwingli in Zürich geworden. Die Schweiz ist zum Quellgebiet einer eigenständigen Tradition des Protestantismus geworden. Insgesamt einer wohltuend liberaleren Variante.
Wie wir im nächsten Post sehen werden, ist es sehr häufig, dass es an Rändern von Imperien und in Löchern von Denkkollektiven zu herausragenden Innovationen gekommen ist. Heute liegt das europäische Zentrum der Erforschung des Innenlebens der Materie in Genf und eine der bedeutensten naturwissenschaftlich-technischen Universitäten Europas in Zürich, die ETH. Finanziert wohl auch durch den wirtschaftlichen Erfolg der Banken und Versicherungen vor Ort.
Zürich ist, dank seiner liberal-reformierten Tradition und genährt durch den Wohlstand der Kapitalakkumulationsmaschine der Banken und Versicherungen, zu einem Ort der Aufklärung geworden.
Neben dem Reichtum, den der Finanzplatz der Schweiz bringt, sind es aus globaler Sicht drei Vorteile, welche für eine polyzentrische Finanzarchitektur sprechen. Im Zeitalter der Hochleistungsrechner und des High Frequency Tradings nimmt eine polyzentrische Börsenstruktur etwas an häufig überhitzter Geschwindigkeit aus dem Handel. Zweitens kommt es durch die multipolare Netzwerkstruktur zu einer vertiefteren Informationsverarbeitung. Schliesslich ist ein Weltfinanzsystem, das über mehrere Finanzplätze abläuft im Falle eines terroristischen Angriffs oder Krieges weniger verwundbar. Dies sind drei Gründe aus globaler Sicht, welche in Zeiten der Konzentrierung der Kapitalmacht an der Wallstreet für den Fortbestand eines starken Finanzplatzes Zürich sprechen.
Von Zürich aus können neue transnationale Netzwerke von Handel und Geld, aber auch von Erkenntnissen und Ideen geknüpft werden, welche alte, nationale Grenzen sprengen. Es scheint mir, als wäre die Rolle der Regulierungslücke Schweiz, im Prozess der europäischen Integration das Element der Konkurrenz zu betonen. Konkurrenz ist das alte Leitmotiv der Evolution und des Kapitalismus. Es sorgt für fittere Akteure. Für die alten Dinosaurier und ehemaligen Erzfeinde Frankreich und Deutschland hingegen, sollte das Ziel bleiben, zu einem friedlicheren föderalistischen Herz in einem Europa differenzierter Integration zu werden. Wichtig wird weiterhin der Ausbau des europäischen Binnenmarktes sein und nach Ordo liberalem Leitbild eine wirksame Wettbewerbskontrolle. Diese könnte irgendwann auf die globale Ebene ausstrahlen und zur Entstehung einer Weltkartellbehörde im Rahmen der WTO führen.
Im Zeitalter der Globalisierung sind transnationale Verflechtungen von Demokratie und Wirtschaft angesagt. Einmal die Stärkung von transnationalen Konzernen und Finanzinstituten, anderseits der Ausbau transnationaler Demokratie im Sinne des opportunity states, welcher transnationale innovative Inklusion ermöglicht. Falls es zu einer zu einseitigen Globalisierung der Weltwirtschaft kommt, wird sich der Gegensatz zwischen international orientierten, gebildeten Gewinnern und national orientierten, ungebildeten Verlierern verschärfen. Dies birgt die Gefahr von wieder aufkeimendem Nationalismus in sich. Nationen sind Konstrukteure von mächtigen kollektiven Identitäten. Nationalismus ist mehr als der Narzissmus des kleinen Unterschieds. Mangelt es an individueller Anerkennung, versucht „man“ sich mit etwas grösserem zu identifizieren – der Nation. Ein solches Stimmungsgemenge kann in blutigen Kampf und Krieg umschlagen.
Ein Mittel gegen den Virus des Nationalismus ist eine multikulturelle Orientierung. Die Schweiz mit ihren vier Kulturen ist dafür ein hervorragendes Laboratorium. Ein Aspekt kulturellen Kapitals ist die komplexe "Feldstruktur" der Zeichen und Symbole. Hier geht es um Semiotik. Für eine Kulturfusion hat die schweizerische Ausformung der drei Hochkulturen Deutschlands, Frankreichs und Italiens, und nicht zu vergessen das Vulgärlatein Rumantsch, den Vorteil, dass die jeweilige Sprache etwas entschleunigt ist. Ein Vorteil, wenn ein kultureller Fusionsprozess in Gang gesetzt werden soll. Diese abstrakt-semiotische Argumentation meint nun nicht nur den konkreten Vorteil, welcher ein langsameres Sprechtempo Einsteigern in eine Fremdsprache bietet, sondern zielt vor allem auf die Ebene des Unbewussten, dessen Strukturierung und Codierung (frei nach Lacan).
Die gute "Feldstruktur" der schweizerischen Semiotik ist wertvolles, kulturelles Kapital. Sie kann aber auch einen Beitrag dazu leisten, das Gespenst des aggressiven Nationalismus anderswo etwas zu entschärfen. Als ein reiches Land mit alter liberaler, multikultureller Tradition kann sie zu einem Ort gelebter weltanschaulicher, religiöser und sexueller Toleranz mit Ausstrahlung weit über ihre eigenen Landesgrenzen hinaus werden. Dabei bereichern auch die Homosexuellen - als eine Pfauenfeder mehr der Evolution – das semiotische Feld pluraler Vielfalt.
Als kleines Land, auf der Höhe der modernen Neurowissenschaften und der Bewusstseinsphilosophie, kann die Schweiz helfen, dass sich entwickelnde Paradigma des modularen Denkens als neues Muster im Bereich der internationalen Beziehungen voranzutreiben. Es ist ein Denken, dass weniger von den alten griechisch-römischen Tempeln und ihren tragenden Säulen geprägt ist, als vielmehr von sich ausbreitenden, überlappenden und z.T. auch konkurrenzierenden transnationalen Netzwerken, welche mehr der Geographie der Probleme entsprechen [Alexandre Frey]. Damit sind Netzwerke verschiedenster Art gemeint: von der Wirtschaft, zur humanitären Hilfe, in den Bereich der Politik, bis hin zur Sicherheitspolitik.
Dadurch könnten vielleicht auch, neben dem zweiten Sitz der VN in Genf, etwas ausserhalb des angelsächsischen Hegemonialbereichs, wertvolle Muster für eine insgesamt dynamischere, aber auch
friedlichere Welt gelegt werden.
Der Traum einer friedlichen Weltrepublik einer geeinten Menschheit wird sich wahrscheinlich erst im 23. Jahrhundert verwirklichen lassen. Bis dann wird es jedoch noch zu zahlreichen Wirtschaftskrisen und internationalen Kriegen kommen. Ein Hauptgrund dafür liegt in der Ressourcenknappheit. Diese kann im globalen Massstab erst durch weiteren fundamentalen wissenschaftlich-technologischen Fortschritt überwunden werden. Vielleicht wird einmal so etwas wie ein Materiewandler möglich werden. Dazu werden wahrscheinlich aber enorme Energiemengen notwendig sein, welche vielleicht einmal Solarkollektoren in orbitaler Position um die Sonne liefern werden.
Weitere zuvor noch zu lösende Probleme sind, der Clash of Civilisations, der Kampf zwischen aufgeklärten und unaufgeklärten Kulturen und die Globalisierung der Staatsform der Demokratie. Die polyarchischen Strukturen der Demokratie erlauben ein friedlicheres Zusammenleben.
Warum reicht aber eine Universalisierung der Demokratie nicht aus, um den Weltfrieden für immer zu sichern, wie dies Kant Ende des 18, Jahrhunderts gefordert hat? Dies liegt in der Konfliktnatur des Menschen begründet. Neben Liebe und Freundschaft ist er auch von einem Drang nach Anerkennung und von Gefühlen von Neid getrieben. Die zukünftige Entwicklung wird eine auf Messers Schneide sein, was den weiteren Einsatz der modernen Technik und Wissenschaft anbelangt. Vielleicht hat sich die Menschheit bereits vor Ende dieses Jahrhunderts selbst vernichtet. Wissenschaft und Technik zur Überwindung von Ressourcenknappheit und zur Verbesserung der Lebensqualität sind ein Zivilisationsgut. Missbraucht jedoch, können sie zu Waffen unsagbarer Grausamkeit werden.
Deswegen sind kollektive Massnahmen zur Vertrauensbildung und Friedenssicherung von grosser Bedeutung. Die OSCE ist ein Beispiel für solche Prozesse.
Die weitere Entwicklung von Wissenschaft und Technik, als Voraussetzung für die Möglichkeit der Entstehung einer Weltrepublik im 23. Jahrhundert setzt den innovativen Zusammenschluss immer grösserer Denk- und Forschungskollektive voraus.
Bis zum nächsten zivilisatorischen Quantensprung hin zu einer friedlicheren Weltrepublik - vielleicht verwirklicht im 23. Jahrhundert - bleibe ich meinem Heimatland der Schweiz treu. Bis dann, Ahoi Schweiz als grünes Auenland geschützt vor den heranstürmenden Horden Saurons!

Mittwoch, 12. Dezember 2012

The Abyss of Mind and Matter: Sexuality on its Edge

Es geht hier um die Erotik von Löchern und von Auslassungen. Sexualität ist der Drang zur Vereinigung von Körpern und Seelen. Mit unserer Geburt werden wir aus der wohligen Einheit, die wir noch im Bauch unserer Mutter spüren können mit Geschrei herausgerissen. Unsere Traumzeit geht zu Ende. Das ewige Spiel des Wo-Bin-Ich-Hiers auf Erden beginnt? Geworfen in diese Welt sind wir auf der Suche nach Orientierung. Suchen werden wir noch lange können. Dies das Abenteuer der Entdeckung. Finden werden wir letzte Antworten in dieser Welt wahrscheinlich aber nie. Ist dies nun ein Drama oder hat dies manchmal auch etwas von einem vergnüglichen Versteckspiel? - Das Beunruhigendste in unserem Leben sind körperliche Qualen und der Schatten, welcher unser Tod von der Zukunft her in unser Leben wirft. Sterben müssen wir alleine. Daran führt kein Weg vorbei. Dies der klarste Gedanke Heideggers. Wie viel Angst löst dieser letzte Abgrund in uns aus? - Dank modernen Schmerzmitteln und einer Prise friedlichem, buddhistischem Nihilismus dürfte das Sterben in unseren hochmodernen Gesellschaften etwas von seinem Schrecken verloren haben. Bleibt für den Atheisten aber immer noch die Auseinandersetzung mit seiner Endlichkeit. Wenn der Stachel des Schmerzes etwas von seiner Härte verloren hat, wie sehr gibt es dann vielleicht eine "Erotik des Sterbens"? - Kann Verfall schön sein, wenn es einem immer wieder gelingt sich auf zu Bäumen? Etwas Leben zu tanken und etwas Licht auszustrahlen? Soweit meine atheistischen Gedanken.
Aber ich bin kein überzeugter Atheist. Nur ein überzeugter Agnostiker. Ein sehr überzeugter Agnostiker sogar! Hier beginnt für mich die wahre Spannung! Hier kann vielleicht sogar von Erotik gesprochen werden. Dies, weil der Tod eine ungeheure Spannung in uns aufbäumt. Es ist der absolute, ultimative Kick in unserem Leben - sofern wir ihn noch bewusst wahrnehmen. Es ist die äusserste Spannung, was wird mit mir, meinem Bewusstsein passieren, wenn mein physischer Körper in dieser Welt stirbt?
Die führenden Philosophen des Geistes in Amerika (John Searle, Daniel Dennett und der Brite Richard Dawkins) wollen ihre gebildeten Leser mit frommem materialistischem Atheismus beruhigen. Dem ist aber nicht so. Der Kant der Bewusstseinsphilosophie unserer Tage - David Chalmers - lebt etwas dezentriert in Australien. Er und andere moderne analytische Philosophen liefern genügend Argumente, um zu begreifen, dass unser Bewusstsein eine immaterielle, emergente Eigenschaft haben könnte. Das einfachste und überzeugendste ist für mich das Kombinationsproblem. Also das unüberwindliche Paradox, welches die moderne Neuroforschung zu Tage gefördert hat, nämlich die Tatsache, dass die materiellen neuronalen Grundlagen für unser Bewusstsein räumlich in unserem Kopf verteilt sind. Wir empfinden unseren Bewusstseinsstrom aber als eine Einheit. Dies das Geschehen um unseren Kopf herum.
Es gibt aber auch die letztlich undurchdringlichen Rätsel der Struktur unserer Welt - Raum, Zeit, Materie, Energie - die klassischen Antinomien Kants und der evolutionären Erkenntnistheorie. Diese und unser Unwissen angesichts dieser letzten Schranken der Erkenntnis der Welt machen den Tod zum spannendsten Moment in unserem Leben. Wir wissen einfach nicht, was danach kommt! Mit dem sich nähernden Tod beginnt die Traumzeit - auch Samsara genannt - wieder. Es kann sein, dass sich dann ein Tor für unsere Seele in eine andere Welt öffnen wird. Ein möglicher Riss in der Materie, liegt in einer vorstellbaren Lücke der Kausalität. Mehr dazu in meinem übernächsten Post, dass dieses Problem aufgreifen und am Leitfaden der Entstehung der modernen Welt abhandeln wird.