Samstag, 30. Mai 2009

Spuren im Sand

Eines Nachts
hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang
mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel
erstrahlten, Streiflichtern gleich,
Bilder aus meinem Leben.
Und jedesmal sah ich
zwei Fussspuren im Sand,
meine eigene
und die meines Herrn.

Als das letzte Bild an meinen
Augen vorübergezogen war,
blickte ich zurück.
Ich erschrak, als ich entdeckte,
dass an vielen Stellen
meines Lebensweges
nur eine Spur zu sehen war.
Und das waren gerade
die schwersten Zeiten
meines Lebens.

Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing,
dir nachzufolgen,
da hast du mir versprochen,
auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den
schwersten Zeiten meines Lebens
nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich
allein gelassen, als ich dich
am meisten brauchte?"

Da antwortete er:
"Mein liebes Kind,
ich liebe dich und werde dich
nie alleine lassen, erst recht nicht
in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort, wo du nur
eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."

Margaret Fishback Powers

Freitag, 29. Mai 2009

Kirchen am Ende?

"Bricht sich diese liberale Haltung weiter Bahn – Zweifel darüber bestehen kaum -, haben die traditionellen Glaubensgemeinschaft in Zukunft einen schweren Stand. Es sei denn, sie definierten Religion und Glauben neu. Die Bibel jedenfalls toleriert diese offene Haltung nicht.
Extrapoliert man die Entwicklung der religiösen Landschaft in den vergangenen 50 Jahren in die Zukunft, ist mit weiteren massiven Umwälzungen zu rechnen. Eine Überlebenschance haben die Landeskirchen vermutlich nur, wenn sie die Drohbotschaften über Bord werfen und Frohbotschaften verbreiten. Und wenn sie den Gläubigen helfen, den Alltag im Diesseits zu bewältigen. Das Leben im Jenseits kommt schliesslich noch früh genug.
Trotzdem werden fundamentalistische Glaubensgesellschaften und Sekten weiterhin gut gedeihen. Es wird immer eine Minderheit von Menschen geben, die die letzten Fragen beantwortet haben müssen, um nicht zu verzweifeln. Oder die Halt in einer radikalen Gruppe brauchen, weil sie die Freiheit nicht aushalten."

Aus dem Blog von Hugo Stamm: Posting "Kirchen am Ende?" vom 17. Mai '09 (http://newsnetz-blog.ch/hugostamm/blog/2009/05/).

Was die Entwicklung hin zu einer liberalen Religion anbelangt, bin ich nicht so zuversichtlich wie Hugo Stamm. (Auch wenn ich einige positive Veränderungen in der religiösen Einstellung der Menschen zu Beginn des neuen Jahrhunderts erkenne. Aber wieviel Wandel in Richtung Pluralismus ist wirklich von innen heraus erwünscht, und wie sehr ist die Vielfalt an Weltanschauungen einfach eine Folge der Globalisierung? Auch wenn aus einer Not noch eine Tugend werden kann...) Und wo er meint nur eine Minderheit von Menschen zu orten, welche die letzten Fragen beantwortet haben müssen und dafür bereit sind, sich in totalitäre Strukturen einbinden zu lassen, glaube ich, dass es auch weiterhin eine grosse Mehrheit der Menschen sein wird, die nach "letzten Antworten" lächzen wird! Es aushalten zu müssen, dass man nicht weiss, warum man hier auf dieser Erde ist, ist eine Zumutung, die kaum jemand gut aushält. Geschweige denn mit dem Faktum des Todes klarkommen zu müssen! Es ist wohl diese existenzielle Unbestimmtheit, die Heidegger als den Last-Charakter des menschlichen Daseins beschreibt. Aus daseinsanalytischer Sicht sind wir Menschen in der Regel eigentlich mit unserer Existenz überfordert. Die Kräfte, welche diese Welt zu einem "Unzuhause" machen, sind stark!

Stete Abgründe, I Ging (Nr. 29)

Sind stete Abgründe da, hat der denkende Geist Erfolg, wenn er wahrhaft ist, und was getan wird, ist von Wert.
Stete Abgründe sind eine Reihe gefährlicher Situationen. So wie das Wasser fliesst, ohne überzugehen, so stehe gefährliche Situationen durch, ohne dein Vertrauen zu verlieren. Der denkende Geist ist erfolgreich, indem er durch seine Festigkeit die Mitte findet. Handeln ist von Wert, denn es wird dadurch etwas Wertvolles vollbracht.
Wasser, das immer wieder kommt - das Symbol steter Abgründe. Edle Menschen üben sich darin, durch stete Ausübung der Tugend zu lehren.
Aus dem "I Ging", dem chinesischen Buch der Wandlungen.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Was bedeuted "christlich sein"?!

  • Mythologische und fundamentalistische Definition (= überholte Def.):
1. Gott existiert.
2. Die Bibel ist das Wort Gottes.
3. Jesus ist zu geichen Teilen Mensch und Gott.
4. Die Menschheit wurde von ihren Sünden durch Jesu sterben am Kreuz befreit und ist damit "erlöst".

  • Etwas fortschrittlicher:
1. Die grosse Bedeutung der Existenz Gottes.
2. Die Zentralität von Jesus Christus ist von äusserster Wichtigkeit.
3. Die zentrale Bedeutung der Bibel.

  • Liberal-christlich (meine Version):
1. Annahme der Existenz Gottes, bzw. von etwas Göttlichem.
2. Christlich sein, heisst Jesus in seinem Leben als Vorbild annehmen und seine zentralen Lehren (Nächstenliebe!) befolgen.
3. Die Bedeutung der Bibel als Beschreibung des christlichen Glaubens. Neben dem Bericht über das Leben Christi, wird auch seine Lehre vermittelt. Um diese tausende Jahre alte Schrift aber vor dem Hintergrund des heutigen Wissens richtig zu verstehen und zu interpretieren, sind theologische und religionsphilosophische Deutungen hilfreich.
Das "Positive" an der Brutalität der Geschichte von Jesus Kreuzigung scheint zu sein, das diese uns auf dramatische Art und Weise totale Hingabe für andere klarmacht! Und durch das erschreckende Sinnbild der Kreuzigung soll die Hingabe und Liebe von Gott an uns Menschen deutlich werden. Gott leidet nicht nur mit uns, sondern für uns. Und um beim Bild des Kreuzes und der "Erlösung" zu bleiben, bedeutet das sicherlich die Ablehnung irgendeines Sühnetodes für Gott, sondern vielmehr das "Loskaufen" der gefallenen Menschheit von einer bösartigen Gewalt, - wohl von einem sehr mächtigen Teufel!
Aber um es klar zu sagen, Jesus ist kein Gott und die Bibel nicht Gottes Wort! Ob Jesus überhaupt gelebt hat oder bloss eine literarische Fiktion der Antike ist, ist für mich heute nicht mehr beantwortbar. Die Frage nach der historischen Existenz Jesu ist auch nicht von besonderer Dringlichkeit, weil, wie wir gesehen haben, die Botschaft der "christlichen" Lebenseinstellung entscheidend ist! Jesus also als Lehrer der Menschheit, vielleicht zusammen mit Konfuzius, Buddha u.a. Man kann an Jesus-Vorbildleben auch noch festhalten, wenn man gar nicht mehr an die Existenz Gottes glaubt. Auch wenn eine solche Lebenseinstellung dann eher als "humanistisch" bezeichnet wird ...
Die zentrale Inspiration für diese Gedanken verdanke ich Laverne Coan und ihrem Blog: http://liftingthespirit.blogspot.com/2009/05/define-christian-please.html.

Religion für harte Zeiten

Glaube ist das, was übrigbleibt, wenn wir aufhören auf radikale Unsicherheit mit Panik und Nicht-Wahrhaben-Wollen zu antworten!
Auf die Ungewissheiten des Lebens zu antworten ist ein religiöses Problem, nicht bloss ein praktisches. Harte Zeiten verlangen nicht nur nach Hilfe, sondern auch nach Glauben!
(von: uuworld.org).

Montag, 25. Mai 2009

Einführung in den Taoismus

Habe eine umfangreiche Einführung in den Taoismus (von Jeaneane Fowler) gelesen und zusammengefasst. Für den Text der Zusammenfassung siehe: http://s1.zetaboards.com/New_Taoist_Community/topic/1699648/1/#new.

Ich glaube, die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass der Taoismus uns wieder stärker mit der Natur verbindet und uns die Bedeutung des "letting go" - wu wei - klar macht! Staunen über die faszinierende Welt in ihrem ewigen Wandel. Die furchtereregende Seite des menschlichen Daseins wird im religiösen Taoismus dann durch verschiedene Formen der Geister- und Götterbeschwörung versucht zu beschwichtigen. Aber genau diese mythischen Aspekte des religiösen Taoismus sind es, die ein Reform-Taoismus überwinden sollte. Den richtigen Weg scheint mir die Gruppe "The New Taoist Community" eingeschlagen zu haben. Ihre Grundsatzüberzeugungen sind:
"(1) Philosophical Taoism is not perfect, nor is it the answer to all our questions. Rather, it is a man-made ancient spiritual system that may help people find meaning and direction in life. The New Taoist Community aims at identifying those elements of philosophical Taoism that may be useful for people who live at the beginning of the 21st century.
(2) Our approach to spirituality is basically agnostic.
(3) We focus on the here and now, on what we perceive to be our immediate reality: Ourselves, our relationships with other people, our environments.
(4) We do not believe in an afterlife. Although we do not know for sure, we think it is unlikely that our individual souls will somehow survive the moment our body dies. This is what makes life so precious: It is limited. And we only have one.
(5) We have no affiliation with Chinese folk religion (some of which can also be traced back to Taoist roots). For example, we do not believe in geomancy (Feng Shui), astrology, oracles, or that human beings may attain immortality."
(http://sites.google.com/site/newtaoistcommunity/Home/basic-tenets.

Freitag, 22. Mai 2009

Zwei Gedichte von Hermann Hesse

‚Ein (post-strukturalistischer) Traum’

In einem Kloster im Gebirge zu Gast,
Trat ich, da alle beten gangen waren,
In einen Büchersaal. Im Abendsonnenglast
Still glänzten an der Wand mit wunderbaren
Inschrift tausend pergamentene Rücken.
Voll Wissbegierde griff ich und Entzücken
Ein erstes Buch zur Probe, nahm und las:
„Zur Zirkelquadratur der letzte Schritt.“
Dies Buch, so dachte ich rasch, nehme ich mir mit!
Ein anderes Buch, goldlederner Quartant,
Auf dessen Rücken klein geschrieben stand:
„Wie Adam auch vom anderen Baume ass“ ...
Vom anderen Baum? Von welchem: Dem des Lebens!
So ist Adam unsterblich? Nicht vergebens,
So sah ich, war ich hier, und einen Folianten
Erblickte ich, der an Rücken, Schnitt und Kanten
In regenbogenfarbenen Tönen strahlte.
Sein Titel lautete, der handgemalte:
„Der Farben und der Töne Sinn-Entsprechung.
Nachweis, wie jeder Farb’ und Farbenbrechung
Als Antwort eine Tonart zugehöre.“
O wie verheissungsvoll die Farbenchöre
Mir funkelten! Und ich begann zu ahnen,
Und jeder Griff nach einem Buch bewies es:
Dies war die Bücherei des Paradieses;
Auf alle Fragen, die mich je bedrängten,
Alle Erkenntnisdürste, die mich je versengten,
War Antwort hier und jedem Hunger Brot
Des Geistes aufbewahrt. Denn wo ich einen Band
Mit schnellem Blick befragte, jedem stand
Ein Titel angeschrieben voll Versprechen;
Es war hier vorgesorgt für jede Not,
Es waren alle Früchte hier zu brechen,
Nach welchen je ein Schüler ahnend bangte,
Nach welchen je ein Meister wagend langte.
Es war der Sinn, der innerste und reinste
Jedweder Weisheit, Dichtung, Wissenschaft,
War jeder Fragestellung Zauberkraft
Samt Schlüssel und Vokabular, es war die feinste
Essenz des Geistes hier in unerhörten,
Geheimen Meisterbüchern aufbewahrt.
Die Schlüssel lagen hier zu jeder Art
Von Frage und Geheimnis und gehörten
Dem, dem der Zauberstunde Gunst sie bot.
So legt ich denn, mir zitterten die Hände,
Aufs Lesepult mir einen dieser Bände,
Entzifferte die magische Bilderschrift,
So, wie im Traum man oft das Niegelernte
Halb spielend unternimmt und glücklich trifft.
Und alsbald war beschwingt ich in besternte
Geisträume unterwegs, dem Tiefkreis eingebaut,
In welchem alles, was an Offenbarung
Der Völker Ahnung bildlich je erschaute,
Erbe jahrtausendalter Welterfahrung,
Harmonisch sich zu immer neuen Bindungen
Begegnete und eins aufs andre rückbezog,
Alten Erkenntnissen, Sinnbildern, Findungen
Stets neue, höhere Fragen jung entflog,
So dass ich lesend, in Minuten oder Stunden,
Der ganzen Menschheit Weg noch einmal ging
Und ihrer ältesten und jüngsten Kunden
Gemeinsam inneren Sinn in mir empfing.
Ich las und sah der Bilderschrift Gestalten
Sich miteinander paaren, rückentfalten,
Zu Reigen ordnen, auseinanderfliessen
Und sich in neue Bildungen ergiessen,
Kaleidoskop sinnbildlicher Figuren,
Die unerschöpflich neuen Sinn erfuhren.
Und wie ich so, von Schauungen geblendet,
Vom Buch aufsah zu kurzer Augenrast,
Sah ich: ich war hier nicht der einzige Gast.
Es standen im Saal, den Büchern zugewendet,
Ein alter Mann, vielleicht der Archivar,
Den sah ich ernsthaft, seines Amts befliessen,
Beschäftigt bei den Büchern, und es war
Der eifrigen Arbeit Art und Sinn zu wissen
Mir seltsam wichtig. Dieser alte Mann,
So sah ich, nahm mit zarter Greisenhand
Ein Buch heraus, las was auf Buches Rücken
Geschrieben stand, hauchte aus blassem Munde
Den Titel an – ein Titel zum Entzücken,
Gewähr für manche köstliche Lesestunde! –
Löscht’ ihn mit wischendem Finger leise fort,
Schrieb lächelnd einen neuen, einen andern,
Ganz andern Titel drauf, begann zu wandern
Und griff nach einem Buch bald da, bald dort,
Löscht’ sein Titel aus, schrieb einen andern.
Verwirrt sah ich ihm lange zu und kehrte,
Da mein Verstand sich zu begreifen wehrte,
Zurück zum Buch, drin ich erst wenig Zeilen
Gelesen hatte; doch die Bilderfolgen,
Die eben mich beseligt, fand ich nimmer,
Es löste sich und schien mir zu enteilen
Die Zeichenwelt, in der ich kaum gewandelt
Und die so reich vom Sinn der Welt gehandelt;
Sie wankte, kreiste, schien sich zu verwolken,
Und im Zerfliessen liess sie nichts zurück
Als leeren Pergamentes grauen Schimmer.
Auf meiner Schulter spürte ich eine Hand
Und blickte auf, der fleissige Alte stand
Bei mir, und ich erhob mich. Lächelnd nahm
Er nun mein Buch, ein Schauer überkam
Mich wie ein Frieren, und sein Finger glitt
Wie Schwamm darüber; auf das leere Leder
Schrieb neue Titel, Fragen und Versprechungen,
Schrieb ältester Fragen neuste jüngste Brechungen
Sorgfältig buchstabierend seine Feder.
Dann nahm er Buch und Feder schweigend mit.

Aus: 'Das Glasperlenspiel', Hesse 1943/2002: 444-447.



‚Seifenblasen’

Es destilliert aus Studien und Gedanken
Vielvieler Jahre spät ein alter Mann
Sein Alterswerk, in dessen krause Ranken
Er spielend manche süsse Weisheit spann.
Hinstürmt voll Glut ein eifriger Student,
Der sich in Büchereien und Archiven
Viel umgetan und den der Ehrgeiz brennt,
Ein Jugendwerk voll genialischer Tiefen.
Es sitzt und bläst ein Knabe in den Halm,
Er füllt mit Atem farbige Seifenblasen,
Und jede prunkt und lobpreist wie ein Psalm,
Alle seine Seele gibt er hin im Blasen.
Und alle drei, Greis, Knabe und Student
Erschaffen aus dem Maya-Schaum der Welten
Zauberische Träume, die an sich nichts gelten,
In welchen aber lächelnd sich erkennt
Das ewige Licht, und freudiger entbrennt.

Aus: ‚Das Glasperlenspiel’, Hesse, 1943/2002: 448.

Interreligiösität/Multireligiösität

Eine "Portfolio-Theorie" des Glaubens ...

Bedeute einem Glauben beizutreten, (z.B. den Reformierten), dass in Zukunft auf alle anderen Weltanschaungen verzichtet werden muss? (Es kann nur einen Gott geben!) Wie sollen auch Alleinheit und Gottesglaube zusammengehen? Schliessen sich Theismus und Atheismus doch wechselseitig aus! - Ich bin nun der Meinung, dass hier ein Ansatz der Ökonomie weiterhelfen kann. Dort gibt es die paradigmatische Situation unter Unsicherheit Entscheidungen treffen zu müssen. Die Antwort lautet, dann nicht dass ganze Geld in eine einzige Unternehmung zu investieren, sondern sich verschiedene Optionen offenzuhalten. Auf die Religion angewandt bedeutet dies, dass ich z.B. mit 30 % Wahrscheinlichkeit an Gott glaube, mit 30% an eine Alleinheit und mit den restlichen 40% bin ich Atheist. Ich glaube ein solcher Ansatz ist gerechtfertigt, hat man nur einmal die mythische Stufe der Religiösität hintersich gelassen. Weder angebliche göttliche Offenbarung noch angebliche mystische Erleuchtung können einen letztgültigen, richtigen Glauben grantieren. Der Bereich des Glaubens zeichnet sich durch letzte Unerkennbarkeiten aus! Ein Patchworkglaube, der auch sich wechselseitig ausschliessende Gottesvorstellungen beinhaltet, scheint mir der richtige Weg zu sein!


... oder postmoderne Spielereien?

Bei den UUs ist es das Bild der "Kathedrale der Welt", wo durch jedes Fenster ein anders gefärbtes Licht, mit einem anderen Bild in's Innere scheint, was stellvertretend für die verschiedenen Religionen steht. Und etwas neutraler wird einfach vom "Spirit of Life" gesprochen. Ein Ausdruck, der verschiedene Gottesvortstellungen in sich vereinen kann. (Die UUs haben eine ganze Liste mit "Wow Words" zusammengestellt um dem Wunder dieser Welt und ihren transzendenten Dimensionen besseren Ausdruck zu verschaffen: http://www.uua.org/religiouseducation/curricula/tapestryfaith/spiritlife/workshop1/workshopplan/handouts/159103.shtml). Und ein anderes UU Mantra ist: "You need not think alike to love alike." (Francis David). Buddha vergleicht zankende Mönche (die sich über den "wahren" Weg des Buddhismus streiten), mit Blinden die einen Elefanten beschreiben sollten. Derjenige, der den Elefanten am Bein betastet denkt an eine Säule, derjenige der den Schwanz des Elefanten untersucht, assoziiert eine Schnur, die Stosszähne werden für Pflugschare gehalten und der Kopf schliesslich für einen Kessel. An Hand von diesem Gleichnis will Buddha seinen Schülern zeigen, wie vielfältig die Wahrheit sein kann. Und dass man nicht vorschnelle Schlüsse ziehen sollte. Denn manche klammern sich an ihre Lehrmeinungen. Aber streiten tun doch nur die Menschen die lediglich einen Teil der ganzen Wahrheit sehen. (Buddha, Udana 6.4: Tittha Suttra). Weiter gibt es auch zwei monistische Metaphern für die Einheit aller Religionen: Einerseits Ramakrishnas Bild vom Ozean in den alle Flüsse/Religionen münden. Anderseits das Sufi-Bild von der gleichen Quelle, aus der die verschiedenen Flüsse/Religionen entspringen.
Schliesslich will ich noch versuchen die radikal-pluralistische, postmoderne Sichtweise auf den Punkt zu bringen: „Je bunter und vielfältiger, umso besser!“ sollte der Grundsatz lauten. Haben wir uns erst einmal vom religiösen Exklusivismus verabschiedet, können wir die Vielfalt der existierenden Religionen auch als ein positives Zeichen verstehen, dass wohl etwas Buntes, Fröhliches dahinter stecken muss, wenn das Göttliche so viele verschiedene, inspirierende Ausdrucksformen annehmen kann!

P.S. Die Angst-Version der religiösen Bastelei und Spielerei, ist die Angst vor einem herrischen und gnadenlosen Gott. In einem solchen Fall, geht man vom schlimmsten Fall aus, dass Gott nicht nachsichtig ist mit Un-, bzw. Teil-Gläubigen. Blaise Pascal argumentiert, dass man an Gott glauben sollte. Wenn der Glaube zutrifft, kommt man dafür in den Himmel. Wenn nicht, hat man sich nichts vergeben. Und sollte Gott doch existieren und man hätte nicht an ihn geglaubt, wäre die Strafe ja mehr als schrecklich, nämlich ewige Verdammniss in der Hölle!

P.P.S. Bertrand Russell hat nun umgekehrt atheistisch argumentiert, dass es einfach nicht genügend Evidenz gibt, die einen Gottesglauben legitimieren würde. Und das bei einer solchen Ausgangslage ein Gott im Jenseits einem wohl seinen Atheismus vergeben müsste!

Dienstag, 19. Mai 2009

Stirb und werde!

Hoffen in der Verzweiflung, dass ist Glauben! Hoffnung ist das Gefühl "Ich bin geborgen im Dasein". Irgendetwas "trägt" mich. Und obwohl alles sehr schwierig ist, falle ich doch nicht aus der Schöpfung heraus. Aber je mehr wir Angst haben, um so weniger haben wir das Gefühl der Hoffnung. Die Angst wurzelt in der Todesangst. Es ist die Angst die Existenz zu verlieren und keine Zukunft mehr zu haben.
In der Angst fällt der Schleier der Alltagswelt und die Welt wird unheimlich. Das Sein zum Tode ist die radikale Differenz in der vertrautes In-der-Welt-sein zur Unheimlichkeit wird. Der Tod ist das radikal Andere zu allem Vertrauten. - Und solch klares Todesbewusstsein ruft nach Religion und einer Ars moriendi, einer Kunst des Sterbens.

"Diese ursprüngliche Angst wird im Dasein zumeist niedergehalten. Die Angst aber ist da. Sie schläft nur. Ihr Atem zittert ständig durch das Dasein." Heidegger, 'Was ist Metaphysik?', S. 37.
"Die Angst als Grundbefindlichkeit. Das beruhigt-vertraute In-der-Welt-sein ist ein Modus der Unheimlichkeit des Daseins, nicht umgekehrt. Das Un-zuhause muss existenzial-ontologisch als das ursprünglichere Phänomen begriffen werden." Das selbstverständliche "Zuhause-sein" in der durchschnittlichen Alltäglichkeit bricht zusammen, um einer Unheimlichkeit des Daseins Platz zu machen. Heidegger, SuZ, S. 188/189.

"Du wirst, du stirbst. -
Wess wahr Geschöpf du bist,
erfährst du nie."
Druden Spruch

"Ich bin, weiss nit wer,
ich komm, weiss nit woher,
ich geh, weiss nit wohin,
mich wundert, dass ich fröhlich bin."
Walther von der Vogelweide (um 1200)

"Und so lang' du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde."
"Selige Sehnsucht", Goethe

Donnerstag, 14. Mai 2009

Sonntag, 10. Mai 2009

Transpersonale Psychologie und beyond

Das positive an der Transpersonalen Psychologie ist, dass sie versucht Psychologie mit Religion zu verbinden. Positive Spiritualität kann bei der Bewältigung von Lebenskrisen und Krankheiten helfen. Anzuzweifeln ist dann aber ihr Versprechen mittels meditativen Techniken aussergewöhnliche, höhere Bewusstseinszustände zu erreichen. In transpersonalen Zuständen sollte es möglich sein, dass das Persönliche überschritten werden kann. In der nondualen Erleuchtung soll die "Einswerdung" von und mit allem unmittelbar erlebbar werden. Es gibt aber keine eindeutige Evidenz für die Existenz solcher Bewusstseinsräume!
Dennoch ist die Bilanz nicht nur negativ. Wenn auch kritisiert werden kann, dass Spiritualität eine willkommene Fluchtmöglichkeit bietet. So ist es doch so, dass in der Psychotherapie die religiöse Dimension ausgeblendet bleibt. Die Daseinsanalyse, mit ihrem Übervater Heidegger, geht zwar auf religiöse Fragen ein, wie warum es überhaupt eine Welt gibt und nicht vielmehr nichts? - In der Auslegung nach Heidegger rückt dann aber die totale existenzielle Angst in's Zentrum! Was die Untergrabung einer beruhigt-vertrauten Weltsicht anbelangt, ist Heidegger ein wahrer Meister. Die Bedeutung von Angst und Sorge im Sein zum Tode des menschlichen Daseins macht Heidegger sehr eindrücklich klar. Aber nach Heideggers-Angstphilosophie ist sogar ein Mehr an Angst erst der richtige Weg zu wahrem Sein!? - Verkannt werden dabei der Stellenwert positiver Gefühle im Allgemeinen und der Liebe im Besonderen. Auch wenn Heidegger mit seiner Sicht, dass die Angst im Zentrum des Menschseins herrscht, wohl recht hat. Und viele der frommen Versprechen der Religiösen einiges zu leichtfertig dem Bedürfnis nach metaphysischer Geborgenheit nachgeben. In letzter Verzweiflung wird dann jeweils an den jeweiligen Dogmen festgehalten. Aber wie gesagt, scheinen mir auch die Positionen von Heidegger & Co. (Sartre, Camus, etc.) überzeichnet.
Im Anschluss an eine reformierte Transpersonale Psychologie oder richtig verstandene Daseinsanalyse sollte auch versucht werden, die religiöse, spirituelle Dimension mit in den Denk- und Erfahrungshorizont zu bringen. Ausgangspunkt für eine solche spirituelle Sichtweise ist die Bedeutung der Überzeitlichkeit der Liebe. Im Unterschied zu Heideggers Sorge orientierten Sicht menschlichen Daseins, sollte die Bedeutung glücklicher und freudiger Augenblicke und Lebensphasen für das Ganze des Lebens betont werden. Die während solchen glücklichen Phasen gebildeten Weltbilder können noch für lange Zeit nachwirken. Die Anstrengungen des folgenden Lebens hängen davon ab, ob das in diesen seltenen Glücksaugenblicken erlebte festgehalten und fruchtbar gemacht werden kann? So die schöpferische Leistung glücklicher Zeiten!
Religion und Spiritualität gehen über simple Positive Psychologie, bzw. Glückspsychologie weit hinaus. Paul Tillich lässt im "Der Mut zum Sein" seinen Gott erscheinen, wenn der Gott der Angst und des Zweifels untergegengen ist. Aber auch holistische Religionsvorstellungen können helfen (vgl. z.B mein Posting vom 29.4.09 zu "Elementen des Weltbildes von Gandhi"; wie das Gute bei allem Wandel der Welt nie wirklich untergeht und so zu so etwas, wie dem "Gandhi-Tao" wird).

Hinweis: Lexikon Artikel "Transpersonale Psychologie" Evangelische Zentralstelle für Weltanschaungsfragen (EZW), Berlin: http://www.ekd.de/ezw/Lexikon_1897.php.

Dienstag, 5. Mai 2009

Dies und das ...

Die Götter antworten nicht auf Gebete.
Wir müssen selber einen Weg in dieser Welt finden.
So sind die Spielregeln.
(Battlestar Galactica)

Kann sich das Göttliche nur durch uns manifestieren?
(Evolutionary Enlightenment)

To the Hindu, for example, God didn't create the universe, but God became the universe. Then he forgot that he became the universe. Why would God do this? Basically, for enterainment. You create a universe, and that in itself is very exciting. But then what? Should you sit back and watch this universe of yours having all the fun? No, you should have all the fun yourself. To accomplish this, God transformed into the whole universe. God is the Universe, and everything in it. But the universe doesn't know that because that would ruin the suspense. The universe is God's great drama, and God is the stage, the actors, and the audience all at once. The title of this epic drama is "The Great Unknown Outcome". Throw in potent elements like passion, love, hate, good, evil, free will; and who knows what will happen? No one knows, and that is what keeps the univerese interesting. But everyone will have a good time. And there is never really any danger, because everyone is really God, and God is really just playing around.
(Warren B. Sharpe. Philosophy for the Serious Heretic)

Kausalitätstheorien sind so bedeutend, weil sie die Verbindung in der Kreation von Neuem sind. Die alte indische Theorie von Samkhya "Prä-Existenz-des-Effekts-Theorie" postuliert, dass alles was emergiert, bereits in der Ursache prä-existent ist. Z.B. entfaltet sich für Sri Aurobindo der Geist im Evolutionsprozess. Alles was entsteht, besteht bereits in der Ursache.
Diese Sicht kann als reduktionistisch bezeichnet werden, da es keinen Raum mehr für Neues gibt. Alles ist durch das Bestehende bestimmt. Ähnlich zur Theorie von Samkhya ist Aristoteles Kausalitätstheorie, welche von einer Aktualisierung von Potentialen ausgeht. Eine formgebende Ursache ist eine spezielle formgebende immaterielle Entität, z.B. Entelechie, élan vital, Supermind, etc. Ein wichtiger Aspekt der prä-existierenden Ursache ist, dass nichts wirklich neu geschaffen werden kann, noch wirklich vernichtet werden kann in Nichts.
(Reddy, Löw, Wikipedia)
Das andere Extrem ist, dass nichts wirklich inherent existiert. Es gibt nur Leerheit. So die buddhistische Sicht. Der Zusammenhang soll am Beispiel eines Setzlings verdeutlicht werden. Der Setzling ist aus einem Samen gewachsen. Dabei kann der Setzling nicht aus Ursachen gewachsen sein, die sind wie er selbst (-> Problem vom Wandel im Sein). Noch kann der Setzling aus Ursachen hervorgegangen sein, die inherent unterschiedlich sind von ihm selbst (->Problem vom Wandel im Werden). Noch kann er von Ursachen verursacht sein, welche ohne Ursachen sind. Etwas nicht-existierendes kann nicht Ursache sein. Schliesslich muss etwas, dass aus sich selbst heraus existieren kann, nicht von Ursachen verursacht werden. Die Schlussfolgerung vom Dalai Lama ist, dass aus den genannten Gründen "Werden" nicht verstanden werden kann. Die Lehre von der Wesenlosigkeit der Erscheinungen kann wie folgt auf den Punkt gebracht werden:
Neither from itself nor from another,
Nor from both,
Nor without a cause,
Does anything whatever, anywhere arise.
(Vers 1:1, des Mülamadhyamakakarika, grundlegende Verse des Mittleren Weges, von Nagarjuna)

Im Folgenden ein paar Stichworte zu einer altenativen Konzeption von Ganzheiten. In ihnen soll Pluralität stärker zum Ausdruck gebracht werden, als in klassischen Ganzheitskonzeptionen:
Vernetzung statt Holismus
Bastelwerk statt geplante Muster
Heterarchie: statt Hierarchie
wechselseitige Abhängigkeit
Modularität statt Uniformität
Symmetriebrüche statt Symmetrie
dynamisch statt statisch
umkehrbar statt unumkehrbar
revolutionäre Metamorphose statt Entfaltung einer Utopie
ambilavente Entwicklung statt Perfektion
Wertepolytheismus statt Wertordnung
teilweise Unverträglichkeit statt Kopräsenz sämtlicher Teile
Pluralität von Ganzheitstypen statt Singularität des Typs
Alles hängt zusammen, aber z.T. nur lose und indirekt. Das Ganze ist nur teilweise (fragmentarisch) realisierbar. Das Ganze, wie es klassisch konzipiert worden ist, ist nicht deckungsgleich mit dem Lebendigen (Organischen), dem Schönen (Ästhetischen), dem Guten (Sinnvollen) und Wahren (wissenschaftlich allein Gültigen).
(Holenstein)
Habermas schliesslich ist überzeugt, dass das Projekt der kommunikativen Vernunft Grundlage für eine "Einheit der Vernunft in der Vielfalt ihrer Stimmen" legt. Im kurzen Überblick sind die wichtigsten Stationen im Denken von Einheit und Vielfalt: Das noch stark metaphysische Einheitsdenken bei Plotin, über Kants einheitsstiftende Synthese des erkennenden Subjekts (Verknüpfung der Sinneseindrücke mit den Kategorien der Vernunft), hin zu kontextualistischem Relativismus und mündet schliesslich in einer schwachen Einheit der Vernunft im Medium der Sprache. - Aber wie weit kann uns die Kraft der Vernunft in einem Labyrinth bringen?

Agnostizismus-Regel: Es gibt Geheimnisse, die in allen Kulturen und über sie hinweg, transkulturell ein Geheimnis bleiben. Natürlich können auch Beweise der Unentscheidbarkeit auf irrigen Voraussetzungen beruhen und täuschen. Dennoch wird man darauf gefasst sein, in keiner Kultur eine befriedigende Antwort auf Leibniz' Frage zu finden: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Dasselbe gilt für Lockes Frage, wie es möglich sei, das bare, nicht denkende Materie ein denkendes, intelligentes Wesen hervorbringen kann? Was man in anderen Kulturen lernen kann, ist höchstens, wie man vor solchen Fragen Halt macht.
(Holenstein)

Montag, 4. Mai 2009

UUism und Interreligiöser Dialog

Unitarian Universalism (UU) ist nicht eine Religion des "entweder ... oder", sondern des "sowohl ... als auch". Da uns letzte Gewissheit, was das Wesen dieser Welt anbelangt, verwehrt ist, können wir ruhig auch zwei, oder mehreren verschiedenen Religionen anhängen. Neuerdings ist dies auch bei den Reformierten im Rahmen einer "Theologie der Religionen" eine Thema. Wie können wir sinnvoll aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen? -

Die amerikanischen UUs unterziehen gerade ihre "Kirchenverfassung" einer Revision. Neu werden die Glaubensquellen wie folgt angegeben (Stand: Januar '09):
"Section C 2.2. Sources.
Unitarian Universalism is rooted in two religious heritages. Both are grounded on thousands of years of Jewish and Christian teachings, traditions, and experiences. The Unitarian heritage has affirmed that we need not think alike to love alike and that God is one. The Universalist heritage has preached not hell but hope and courage, and the kindness and love of God. Contemporary Unitarian Universalists have reaped the benefits of a legacy of prophetic words and deeds.
Unitarian Universalism is not contained in any single book or creed. Its religious authority lies in the individual, nurtured and tested in the congregation and the wider world. As an evolving religion, it draws from the teachings, practices, and wisdom of the world’s religions. Humanism, earth-centered spiritual traditions, and Eastern religions have served as vital sources. Unitarian Universalism has been influenced by mysticism, theism, skepticism, naturalism, and process thought as well as feminist and liberation theologies. It is informed by direct experiences of mystery and wonder, beauty and joy. It is enriched by the creative power of the arts, the guidance of reason, and the lessons of the sciences.
Grateful for the traditions that have strengthened our own, we seek to engage cultural and religious practices in ways that call us into right relationship with all."

Und der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) bezieht wie folgt Position in der Debatte um Interreligiösität:
"Die Wahrung christlicher Identität schliesst die Öffnung für ausserchristliche Religionskulturen nicht aus, sondern ein. [...] Gemeint is eine positive Erwartungshaltung, die es der "Grösse" Gottes zutraut, auch in und durch die Quellen und Ströme ausserchristliche Traditionen zu sprechen, so wie er durch die ganze Schöpfung spricht, wie er durch die 'vorchristlichen' Ströme der jüdischen Traditionen und der griechischen Philosophie gesprochen hat.
Es kann dies sicher kein anderes Evangelium sein, also keine Botschaft, die in Widerspruch zu dem von Jesus Christus verkündeten und gelebten Evangeliums steh. Wohl aber können es Ausdrucksformen des Evangeliums sein, die der christlichen Tradition fremd sind und gerade darin von der Universalität der Schöpfungsliebe Gottes Zeugnis geben." Reinhold Bernhardt, in: Wahrheit in Offenheit - Der christliche Glaube und die Religionen. SEK, 2007.

Sonntag, 3. Mai 2009

Evolutionäre Erklärungen von Religion & Moral

Die Aufklärung und insbesondere die Naturwissenschaften haben immer mehr Gebiete unserer Welt entzaubert. Wir glauben heute nicht mehr, dass eine "Regenfeh" für den Regen verantwortlich ist, dass Geister in Sümpfen und Seen leben, etc. Die Zeiten des Animismus sind vorbei. Aber auch der mythische Gott ist aus dem Himmel gefallen. Unsere Schöpfungsmythen sind nicht mit modernen, evolutionären Erklärungen kompatibel. Auch die übrigen wundersamen Geschichten in den "Offenbarungsbüchern" der Menschheit scheinen nicht mit einem modernen Weltbild vereinbar zu sein. Und schliesslich werden Moral und Religion direkt angegriffen. Sie stehen nicht mehr für metaphysische Erklärungen. Vielmehr wird auf evolutionäre Erklärungen von Moral und Religion verwiesen. Im Entstehungsprozess von Moral und Religion hatten sie irgendeinen evolutiven Vorteil (z.B. bessere soziale Kooperation). Sonst wären sie als erstes gar nicht entstanden und hätten sich auch nicht während dem weiteren evolutiven Prozess halten können. Aber was sagt dies über den Wahrheitsgehalt von Religion und Moral aus? - Wenn wir uns einmal daran gewöhnt haben, dass die Welt evolutionär entstanden ist, warum sollten dann nicht auch Religion und Moral evolutionär entstanden sein? - Die evolutionäre Genese von Religion und Moral setzt diese nicht grundsätzlich ausser Kraft! Der ideelle, metaphysische Gehalt von Religion und Moral bleibt weiterhin gültig! Und wir können weiterhin darüber debatieren, welches die "richtige" Religion, bzw. die "richtige" Moral ist ... (Mein post-moderner Grundsatz ist dabei, je bunter, um so besser!)

P.S. Religiöse Offenbarungsbücher enthalten - in mythischer Form - immer noch Inspirationen, wie man sich das Göttliche vorstellen kann ("religiöse Diktionäre"). Einen anderen Weg bietet die vernunft-geleitete Religionsphilosophie. Aber alle religiösen und moralischen Erklärungsansätze bleiben im letzten unvollständig! So das Wesen der Religion und auch der Moral. Im letzten braucht es einen "Glaubenssprung" um letzte Gewissheiten subjektiv für wahr halten zu können.

P.P.S. Bei der Vielfalt an religiösen Weltbildern, welche unsere Welt bietet, wird es immer wichtiger eine gemeinsame Referenzsprache zu finden. Das Gleiche gilt auch für die Moral (vgl. z.B. das Projekt "Weltethos").

Samstag, 2. Mai 2009

Aus dem "New-Age-Lexikon" des Vatikans

Entwicklung: In New Age geht es dabei um viel mehr als um die Frage nach der Entwicklung lebender Wesen hin zu höheren Lebensformen; das physische Modell ist auf den spirituellen Bereich hin entworfen, so dass eine den Menschen innewohnende Macht sie in Richtung höherer spiritueller Lebensform treibt. Die Menschen, so heisst es, besitzen keine volle Kontrolle über diese Macht, aber ihre guten und schlechten Taten können ihren Fortschritt beschleunigen oder verlangsamen. Das Gesamte der Schöpfung, einschliesslich der Menschheit, bewegt sich demnach unerbittlich auf eine Verschmelzung mit dem Göttlichen zu. Die Reinkarnation nimmt eindeutig einen wichtigen Stellenwert ein in dieser Vorstellung von einer schrittweisen spirituellen Entwicklung, von der es heisst, dass sie vor der Geburt beginne und nach dem Tod andauere.

Holismus: Ein Schlüsselgedanke des "neuen Paradigmas"; er beansprucht, einen theoretischen Rahmen bereitzustellen, der die gesamte Weltsicht des modernen Menschen integriert. Im Gegensatz zu einer Erfahrung wachsender Fragmentierung in der Wissenschaft und im täglichen Leben dient "Ganzheitlichkeit" als ein zentrales methodologisches und ontologisches Konzept. Die Menschheit passt ins Universum als Teil eines einzelnen lebenden Organismus, eines harmonischen Netzwerks dynamischer Beziehungen. Die klassische Unterscheidung von Subjekt und Objekt, an der man typischerweise Descartes und Newton die Schuld gibt, wird durch verschiedene Wissenschaftler herausgefordert, die eine Brücke zwischen Wissenschaft und Religion anbieten. Die Menschheit ist Teil eines universalen Netzwerks (Ökosystem, Familie) von Natur und Welt und muss nach Harmonie mit jedem Element dieser quasi-transzendenten Autorität streben. Versteht man seinen eigenen Platz in der Nature und im Kosmos, der ebenfalls göttlich ist, versteht man auch, dass "Ganzheit" und "Heiligkeit" ein und dasselbe sind. Seinen deutlichsten Ausdruck findet das Konzept des Holismus in der "Gaia"-Hypothese.

Human-Potential-Bewegung: Seit ihren Anfängen (Esalen, Kalifornien, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts) ist sie zu einem Netzwerk von Gruppen angewachsen, die die Freisetzung der angeborenen menschlichen Schöpferkraft durch Selbstverwirklichung fördern. [...] Es gibt klare Verbindungen zwischen fernöstlicher Spiritualität und Psychotherapie, während sich die Psychologie C.G. Jungs und die Human-Potential-Bewegung sehr einflussreich auf den Schamanismus und "rekonstruierte" Formen des Heidentums wie Druidentum und Wicca auswirkten. In einem allgemeinen Sinn lässt sich "persönliches Wachstum" verstehen als die Gestalt, die "religiöses Heil" in der New-Age-Bewegung annimmt: Man behauptet, dass die Befreiung von menschlichem Leid und menschlicher Schwäche durch die Entwicklung unseres menschlichen Potenzials zu erreichen ist, was dazu führt, dass wir in zunehmendem Mass mit unserer inneren Göttlichkeit in Berührung kommen.

Karma (von der Sanskrit-Wurzel Kri = Handlung, Tat): Ein Schlüsselbegriff in Hinduismus, Jainismus und Buddhismus, dessen Bedeutung aber nicht immer die gleiche gewesen ist. In der antiken vedischen Tradition bezog er sich auf die rituelle Handlung (Opfer), mit der eine Person Zugang zur Glückseligkeit oder zum Segen des nachtodlichen Lebens erhielt. Als der Jainismus und der Buddhismus auftraten (etwa sechs Jahrhunderte vor Christus), verlor das Karma seine Heilsbedeutung: Der Weg zur Befreiung war die Kenntnis des Atman oder des "Ich". In der Lehre des Samsara wurde es verstanden als der unaufhörliche Kreislauf von Geburt und Tod des Menschen. [...] Im Kontext des New Age wird das "Gesetz des Karma" oft als das moralische Äquivalent zur kosmischen Entwicklung betrachtet. Es hat nichts mehr zu tun mit dem Bösen oder des Leiden - Illusionen, die man als Teil eines "kosmischen Spiels" erlebt -, sondern ist das universale Gesetz von Ursache und Wirkung, Teil der Tendenz des zusammenwirkenden Universums hin zu moralischer Balance.

Monismus: Der metaphysische Glaube, dass Unterschiede zwischen den Wesen illusorisch sind. Es gibt nur ein universales Sein, von dem jedes Ding und jede Person ein Teil ist. Insofern der Monismus des New Age die Idee einschliesst, dass die Wirklichkeit von Grund auf spirituell ist, handelt es sich um eine zeitgenössische Form des Pantheismus (manchmal explizit eine Ablehnung des Materialismus, besonders des Marxismus). Sein Anspruch, alle Dualität aufzulösen, lässt keinen Raum für einen transzendenten Gott, deshalb ist alles Gott. Ein weiteres Problem entsteht für das Christentum, wenn die Frage nach dem Ursprung des Bösen gestellt wird. C.G. Jung sah das Böse als die "Schattenseite" des Gottes, der im klassischen Theismus, alleingültig ist.

Mystik: New-Age-Mystik bedeutet eher, sich nach innen zu sich selbst zu wenden, als die Gemeinschaft mit dem Gott, der "der ganz Andere" ist, zusuchen. Es ist ein Verschmelzen mit dem Universum, eine endgültige Auslöschung des Individuums in der Einheit des Ganzen. Die Erfahrung des Ich gilt als Erfahrung der Göttlichkeit, deshalb schaut man nach innen, um authentische Weisheit, Kreativität und Macht zu entdecken.

Pantheismus (griech. pan = alles und theos = Gott): Der Glaube, dass alles Gott ist oder bisweilen, dass alles in Gott ist und Gott in allem (Panentheismus). Jedes Element des Universums ist göttlich, und die Göttlichkeit ist gleichermassen in allem gegenwärtig. Es gibt in dieser Sichtweise keinen Platz für Gott als ein eigenständiges Wesen im Sinne des klassischen Theismus.

Planetares Bewusstsein: Diese Weltsicht, entstanden in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, um die Treue zur Gemeinschaft der Menschheit anstatt zu Nationen, Stämmen oder anderen etablierten Gruppen der Gesellschaft zu fördern. Es kann als Erbe von Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts gelten, die eine Weltregierung propagierten. Das Bewusstsein von der Einheit der Menschheit passt gut zur Gaia-Hypothese.

Reinkarnation: Im Kontext des New Age ist Reinkarnation verbunden mit dem Konzept von der aufsteigenden Entwicklung hin zur Vergöttlichung. Im Gegensatz zu indischen oder davon abgeleiteten Religionen betrachtet New Age die Reinkarnation als ein Fortschreiten der individuellen Seele auf einen vollkommeneren Zustand hin. Was widergeboren wird, ist wesentlich etwas Immaterielles oder Spirituelles; genauer, es ist Bewusstsein, jener Energiefunke in der Person, der an der kosmischen oder der "Christus-Energie" teil hat. Der Tod ist nichts anderes als der Übergang der Seele von einem Körper zu einem anderen.

Transzendentalismus: Im Neuengland des 19. Jahrhunderts als eine Bewegung von Schreibern und Denkern entstanden, die eine Reihe idealistischer Überzeugungen von der wesentlichen Einheit der Schöpfung, der angeborenen Güte der menschlichen Person, sowie der Überlegenheit der Intuition über Logik und Erfahrung für die Offenbarung der tiefsten Wahrheiten teilten. Die Hauptfigur ist Ralph Waldo Emerson, der sich vom orthodoxen Christentum kommend über den Unitarismus zu einer neuen natürlichen Mystik bewegte, die Konzepte des Hinduismus mit populären amerikanischen Konzepten, wie dem Individualismus, der persönlichen Verantwortung und dem Bedürfnis nach Erfolg kombinierte.

Quelle: Jesus Christus, der Spender lebendigen Wassers. Überlegungen zu New Age aus christlicher Sicht. Päpstlicher Rat für die Kultur und Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog. Deutsche Übersetzung der englischen Ausgabe, 2003. (www.kath.ch/infosekten/ -> New Age aus christlicher Sicht, PDF).