Donnerstag, 30. April 2009

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Gedicht von Hermann Hesse, aus: Das Glasperlenspiel, S. 450.

Mittwoch, 29. April 2009

Elemente des Weltbildes von Gandhi

Es ist möglich, die Existenz Gottes in gewisser Weise druch die Vernunft zu erkennen. Es gibt eine Ordnung im Universum, ein unveränderliches Gesetz beherrscht alles. Inmitten des Todes dauert das Leben fort, inmitten der Unwahrheit dauert das Recht fort, in aller Dunkelheit dauert das Licht fort. Während alles, was mich umgibt, ewigem Wechsel unterworfen ist, ist zugleich eine lebendige Kraft am Werk, die sich nicht verändert.
So viel ich glaube, gibt es im Jenseits keine Begegnung, wie wir sie jetzt haben. Wenn die einzelnen Tropfen vergehen, dann teilen sie wieder die Majestät des Ozeans, dem sie gehören. Einzeln sterben sie, um sich wieder mit dem Ozean zu vereinen.

aus: Rainer Hildebrandt. 1993. Von Gandhi bis Walesa - Gewaltfreier Kampf für Menschenrechte. Verlag Haus am Checkpoint Charlie, Berlin, S. 37.

Dienstag, 28. April 2009

Was macht eine Person zum Helden?

Die letzte Frage vom letzten Posting möchte ich noch einmal aufnehmen: Was macht eine Person zum Helden? Welches sind die Quellen um die Angst zu überwinden, und was macht heldenhaften Mut? - Grundsätzlich ist es die Fähigkeit auch noch im Negativen das Positive zu sehen. Ein radikales Festhalten am Guten, auch in Situationen der Verzweiflung. In der Psychologie sind dass wohl die Gebiete der positiven Psychologie und der Krisenpsychologie. Auf theologischer Ebene ist es der grundsätzliche Glaube an die Gutheit der Schöpfung. Auf individueller Ebene, können einen die Worte von Kant vor dem Nihilismus bewahren:
"Zwei Ding erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Erfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir." (KpV, V, 161).
Auf der Makro-Ebene ist es das Erkennen von Entwicklung. Entwicklung und Fortschritt sollten erkennbar werden, wenn ich einen Schritt zurücktrete und so den ganzen Prozess der menschlichen Entwicklung oder gar den Prozess der Entwicklung des Kosmos in den Blick bekommen kann. Eine Entwicklungsperspektive sollte Hoffnung generieren. Es ist noch nicht gut, aber es wird besser. Vergessen dürfen wir aber nicht, dass mit Entwicklung (technologische, organisatorische, etc.) meist auch eine Zunahme an Macht einhergeht. Und diese Macht kann auch missbraucht werden (Stichwort: "Dialektik der Aufklärung")! Aber es kann auch ganz grundsätzlich die Frage gestellt werden, ob "Fortschritt" wirklich wünschenswert ist? Die Post-Moderne lässt grüssen. Aber medizinischer Fortschritt, ist eine Form von Fortschritt, die kaum jemand wirklich ablehnen würde. Anderseits gibt es auch holistisch inspirierte Konzeptionen von dynamischem Pandeismus (z.B. Sri Aurobindo): Zuerst hat sich Gott "eingerollt". Hat sein Bewusstsein verlorenen, bis nur noch tote Materie in Raum und Zeit vorhanden war ("Involution" gennant). Und dies nur, um dann die Freude des neuen (Wieder)-Aufwachens im Prozess der Evolution zu erleben. Und in dieser Sichtweise wird der Fortschritt dann auch nicht vorher aufhören, bis nicht das ganze Universum wieder Gott geworden ist!

Sonntag, 26. April 2009

"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut."

aus: Goethes Gedicht "Das Göttliche".

"Nicht die überlieferte Form, sondern die in tätige Liebe, Menschlichkeit und Frömmigkeit umgewandelte Zuversicht, mit der die Form erfüllt wird, entscheidet über die Wahrheit einer jeden Religion."

Wer sich dem Wunderbaren, dem Rätselhaften nicht verschliessen will, der ist offen für Sagen, Märchen und Mythen.

"Gott schützt die Liebenden."
vs.
"Liebe ist nur ein Wort."

Der Held wird missachtet und vertrieben, anschliessend bewährt er sich, indem er Rätsel löst oder schwierige Aufgaben bewältigt. Am Schluss siegt immer die ausgleichende Gerechtigkeit. Der Held kehrt zurück, das Gute wird belohnt, und das Böse wird bestraft.
vs.
Häufig gibt es noch einen Moment vor der Katastrophe, an dem der Zuschauer denken kann, dass das Unglück noch aufzuhalten sei. Das retardierende Moment - die Verzögerung - bewirkt eine Aufladung der Spannung, weil die Hoffnung auf ein "Happy-End" um so grausamer enttäuscht wird. Die Katastrophe ist das Ende des Trauerspiels. Meistens bedeutet dies einen tödlichen Ausgang für die Helden und Elend und Leid für alle, die übrig bleiben.

Die Welt wird zum Theater.
vs.
Waren Nationalsozialismus und Holocaust überzeitliche Verhängnisse, die sich dem Handeln der einzelnen Personen entzogen haben. (Wie die Kreuzigung von Jesus?)


Die Charakteristika von Helden:
  • Wer sind die Gegenspieler des Helden, wer sind seine Feinde?
  • Wer steht auf der Seite des Helden?
  • Welche Eigenschaften werden dem Helden von anderen Personen durch die Handlung zugeschrieben?
  • Wo steht der Held am Anfang, wie entwickelt er sich - und wie endet er?
  • Verhält der Held sich verantwortungsbewusst?
  • Kann der Held seinem Schicksal entkommen?
  • Wo ist für den Helden der Wendepunkt in der Geschichte?
  • Was macht eine Person zum Helden?

Freitag, 24. April 2009

Das Theodizee-Problem als Schleifstein für den Atheismus

Wer Religion für gut und sinnvoll hält, sollte sich weniger mit den z.Z. trendigen neodarwinistischen Theorien von Religion auseinandersetzen (vgl. meine Kritik im letzten Posting), als vielmehr mit dem Theodizee-Problem. Wie kann ein gütiger und allmächtiger Gott das Böse zu lassen? Ist er nicht allmächtig, und gibt es deshalb das Böse? Oder ist er zwar allmächtig, aber einfach böse? - Ich möchte hier nicht weiter auf alle Details eingehen, aber im Hinblick auf mein Dauerthema Alleinheit oder Gott, ein paar Gedanken:
Zunächst einmal wie kommen wir Menschen wohl überhaupt auf die Gottesidee? Einerseits ist es wohl die Majestät und die Grösse dieser Welt. Und als kleiner Mensch in dieser gigantischen Schöpfung scheint es mir gut verständlich zu sein, dass wir noch etwas grösseres hinter dieser Welt meinen erahnen zu können. Einen lieben Vater- oder Muttergott. Eine solche, das Weltliche transzendierende Sichtweise sollte auch dann noch gültig bleiben, wenn man die kezerische Frage stellt: Und wer erschuff Gott?
Für "Schönwetterzeiten", d.h wenn es einem gut geht und man optimistisch in die Zukunft schaut, scheint mir ein Alleinheitsglaube noch überzeugender zu sein. Wenn wir in dieser Welt leben und uns fragen woher sie wohl kommen mag, aber kein Gott zu uns spricht und sich als Urheber vorstellt, könnte es ja einfach sein, dass wir, die Menschen, zusammen mit allen Tieren und selbst der toten Materie, eben als Alleinheit, diese Welt erschaffen haben. (Die Annahme der Existenz von authentischen göttlichen Offenbarungsbüchern halte ich für längst überholt.) Wir waren alle von Anfang an schon mit dabei. Und die Such nach dem Schlüssel zur Erklärung dieser Welt, ist vielleicht nicht mehr als das Osterspiel mit der Suche nach dem versteckten Schokoosterhasen.
Schwieriger wird es dann aber, wenn dunkle Wolken am Himmel aufziehen und ein Gewitter über uns hereinbricht. Alleine den Naturgewalten ausgesetzt, wird die schöne Vorstellung einer Alleinheit blad mal hinfällig. Warum sollten wir es zulassen wollen, dass es uns schlecht gehen sollte? Warum sind wir nicht gleich im Himmel geboren worden? Wenn die Erde aufhört ein trautes Heim zu sein, verfliegt auch der paradiesische Alleinheitsglaube. Gilt dieser doch nur solange es uns gut geht. Oder gehört ein gewisses Mass an Bösem und Leiden mit dazu, damit das Leben interessant bleibt? Ohne Angst kann es ja auch keinen Mut geben (vgl. auch mein Posting "... to make the universe as interesting as possible.", vom 11.4.09.). In schwierigen Zeiten wenden sich die meisten Menschen dann doch an Gott. Ein mächtiger Gott scheint in solchen Angstsituationen länger Hoffnung spenden zu können. Helfen können dann v.a. auch Hoffnungsgeschichten, Humor und weiterhin viel Freude an der Natur/Naturmystik und allgemein ein Staunen über das Wunder dieser Welt. Aber es ist schon so, dass Alter, Krankheit und Tod - als natürliche, körperliche Übel - und das moralisch Böse - als menschengemachtes Übel - die Schleifsteine für den Atheismus sind.

Vom "Virus des Glaubens" und anderem Unsinn!

Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") und Daniel Dennett ("Den Bann brechen") sind Verfechter eines radikalen Atheismuses. Ihr Hauptargument ist, dass "egoistische Gene" uns an Gott und Götter glauben lassen. In Wahrheit geht es aber nur um die Verbreitung dieser "egoistischen Gene". Das ganze Menschsein reduziert sich auf die Programmierung durch unsere Gene. Als Gründe für die Persistenz solcher Gene wird eine kognitive Erklärung geliefert, welche Religion als Nebenprodukt sieht.

Die Möglichkeit rasche Vorhersagen machen zu können ist wichtig. Dabei wird aber auch mal vorschnell ein Agent angenommen, der gar nicht existiert. Zugespitzt formuliert ist es das Rauschen der Blätter und das Wehen des Grases, mit den dahinter vermuteten Raubtieren, was uns zur Religion gebracht haben soll. Als potentielle Beute für grössere Raubtiere musste auch der Mensch auf der Hut sein und hat besser einmal mehr als einmal weniger ein Raubtiere im Gebüsch angenommen. Nun hat sich – nach Dawkins und Dennett – diese Kognition verselbständigt und lässt uns heute Götter hinter Bewegtem vermuten!

Warum wir aber gerade Götter vermuten sollten, ist bei dieser Erklärung nicht einsichtig? Vielmehr müssten wir vor allen sich im Winde bewegenden Pflanzen Angst haben. Wie aber Raubtiere zu Schutzgötter werden sollen, ist nicht klar?

Ich glaube, alle diese neodarwinistischen Theorien zur Erklärung von Religion kranken an mehrfachen Reduktionismen:

1. Die erste und zugleich Hauptkritik ist, dass naturalistische Erklärungen verkennen, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen biologischen Erklärungsfaktoren einerseits und theologisch-religionsphilosophischen Begründungen anderseits gibt. Es geht um den Unterschied zwischen Genese (naturwissenschaftliche Erklärung) und Geltung (geisteswissenschaftliche Begründung). Von der Tragweite des Unterschiedes her kann man gar von einer "ontologischen Differenz" sprechen. Ein solcher Zugang soll deutlich machen, dass es hier um etwas grundlegendes geht: um die grundsätzliche Begründbarkeit von Religion. Deswegen wollen wir diese ontologische Tiefenstruktur als die Ebene der Religion bezeichnen.
Zu dieser Problematik gehört auch das Problem der Schöpfungsmythen. Diese sollen nicht wortwörtlich verstanden werden, als Berichte über die tatsächliche Entstehung der Welt. Sondern als Geschichten, die Göttliches zum Ausdruck bringen. Der Genesis-Mythos der Bible, z.B., soll uns vielmehr die Macht, Weisheit und Güte eines Schöpfergottes verdeutlichen, der die Welt aus Nichts erschaffen hat.

2. Dawkins und Dennett konzentrieren sich bei ihren Erklärungen auf die genetische Perspektive. Nur die Genselektion ist von Bedeutung. Allenfalls werden noch "kulturelle Meme" zugelassen. Die aber ebenso egoistische Replikatoren sind. Es werden also weitere, alternative Selektionsmechanismen verkannt. Für die evolutionäre Entwicklung von Religion ist die Selektion auf Ebene der Individuen und der Gruppen wohl ebenso wichtig. Individuen und Gruppen sind mehr als nur die Summe ihrer Gene und sollten entsprechend als entscheidende Evolutionsfaktoren anerkannt werden.

3. Womit wir auch gleich beim nächsten Kritikpunkt wären. Es wird nicht Unterschieden zwischen Potential und Realisierung. Damit ist gemeint, dass nicht unterschieden wird zwischen genetischem Potential und dessen Realisierung in einem konkreten Individuum. Die Genetik ist nicht 100 Prozent determinierend für ein Individuum. Vielmehr sind Umweltfaktoren mitentscheidend, zu welchem Ausdruck ein genetischer Faktor kommt.

4. Kultur als Virus. Es soll nicht bestritten werden, dass bestimmte Formen von Religion schädlich sein können. In einer Zeit von massenhaft existierendem religiösen Fundamentalismus brauchen, glaube ich, keine Beispiele aufgeführt zu werden. Wie aber geistige Viren, sogenannte "Meme", sich in unseren Köpfen festsetzen können, bedarf, meiner Ansicht nach, komplexere, psychologische Erklärungen. Zumindest scheint mir von Kultur und insbesondere vom Glauben als einem Virus zu sprechen, fehlgeleitet. Woher soll dieses übergrosse Eigeninteresse von kulturellen Memen kommen? - In der Memetik werden die starken Kräfte von individuellem Eigeninteresse und aufgeklärtem Altruismus als Gegenkräfte zu viralen Memen verkannt.

5. Bleibt die entscheidende Frage, was der Austausch des einen "hidden actors" - Gott - durch eine adere Form von "hidden agency" - Meme - bringt? Welche unsichtbare Kraft wirkt hinter den Dingen: Gott oder Meme?

6. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass Forscher im neu entstehenden Forschungsfeld der "Biologie der Religion" (Religionsgenetik, Religionsneurologie, etc.) aufpassen müssen, vorschnelle Schlüsse aus ihren Forschungsergebnissen zu ziehen. Dies im Falle, dass es sich um mehr handeln sollte, als dem Beschreiben der biologischen Zusammenhänge. So gibt es den alten naturalistischen Fehlschluss. Aus bestimmtem Sein kann noch keine normative Religion abgeleitet werden (Sein-Sollen-Vermischung). Ein damit zusammenhängendes Problem ist der logische Zirkel/petitio principii. Metaphysisch-religiöse Weltbilder müssen bereits vorausgesetzt werden, um die biologischen Fakten entsprechend interpretieren zu können. Wobei die Interpretation aber eigentlich erst das Ziel ist. So der Einwand des logischen Zirkels in der Begründung religiöser Einsichten.
Ein Ausweg kann ein reflexiver Prozess sein. Bestehende religiöse Weltbilder bilden den primären Orientierungsrahmen, der mit den neue gewonnenen, empirischen Erkenntnissen der Religionsbiologie in Relation gesetzt wird. Dies kann zu neuen religiösen Weltbildern führen, die dann wieder forschungsorientierend werden, sich wieder von den neusten Ergebnissen inspirieren lassen und so weiter und so fort.

Das Grundproblem von Genese und Geltung, bzw. von mechanistisch und teleologisch wird aber wahrscheinlich auch in Zukunft bleiben. Das Eine ist das quasi mechanistische Verständnis vom Ablauf des Evolutionsprozesses. Anderseits bringt die Evolution aber auch qualitative Tiefendimensionen zum Ausdruck. Leibniz hat dies mit der Trennung von Sinn- und Bewegungserklärung gut auf den Punkt gebracht. „Das Weltganze ist teleologisch, alle einzelnen Dinge und Vorzüge sind mechanisch zu erklären.“ Wir sollten mit Geist & Herz wahrnehmen und nicht nur mit der naturwissenschaftlichen Methode. Dann sollten schliesslich auch "Explosionen der Liebe" sichtbar werden.

Dienstag, 21. April 2009

Die drei Gesichter integraler Spiritualität

Auch wenn wohl keine einzige Perspektive dem Mysterium unserer Existenz gerecht werden kann, ist die drei Ansätze in sich vereinigende integrale Spiritualität ein bedenkenswerter Versuch. Für mich ist z.Z. die Frage, ob eine monotheistische oder eine pantheistische Religionsphilosophie die angemesserne ist, von grosser Bedeutung? - Es ist wohl, zusammen mit der Frage nach der Bedeutung des "Nichts", das grosse Problem Ost-Westlichen interreligiösen Dialogs: Gott, Alleinheit oder Nichts? - Ken Wilber et al. haben nun versucht in ihrer "Integral Life Practice" (2008), drei zentrale spirituelle Sichtweisen in der Metapher "der drei Gesichter" zu vereinen. Die verschiedenen Ansätze sollen sich wechselseitig ergänzen und nicht ausschliessen. Wie in einem Fächer, werden so drei spirituelle Hauptströmungen zusammengefasst. Auch wenn dabei die strenge Logik auf der Strecke bleibt, scheint es mir allemal eine Bereicherung für die religiöse Gefühlswelt zu sein.

Immerhin sind wir Menschen doch fähig sowohl eine erste, zweite und dritte Person-Sichtweise einzunehmen. Anhand der verschiedenen Jesus-Interpretationen sollen einmal die verschiedenen Stufen spirituellen Bewusstseins (nach Wilber et al.) durchdekliniert werden:

- Die unterste Stufe ist, die des magischen Gottes. Jesus ist der Magier, der Wasser in Wein verwandelt. Es ist die präkonventionelle, egozentrische Stufe. Jesus ist für mich von Bedeutung, weil er meine Gebete erhört, meine Bedürfnisse befriedigt und mich segnet.

- Die nächste Stufe ist, die des mythischen Gottes. Jesus ist der Messias, der Verkünder der ewigen Wahrheit. Diese Stufe ist absolutistisch in ihrem Glauben. Ich muss entweder wortwörtlich an die "Heilige Schrift" glauben oder ich bin verloren. Diese Stufe ist ethnozentrisch, vereint im Kampf gegen die Heiden. Nur diejenigen, die Jesus Christus als ihren persönlichen Retter und Heiland akzeptieren, werden gerettet werden.

- Die dritte Stufe ist erreicht mit einem rationalen Weltbild. Jesus ist der Lehrer universeller Liebe eines deistischen Gottes. Da hier auch Toleranz für andere Glaubensüberzeugungen besteht, ist hier die weltzentrische Glaubensstufe erreicht.

- Die vierte Stufe, der pluralistische Gott. Hier wird das Göttliche in mir und in allen anderen Menschen erkannt. Bibelzitate werden dekonstruiert und neuinterpretiert, damit sie auf universellere Art und Weise zu uns sprechen können. Die Weltsicht wird multizentrisch. Die ganze Vielfalt der verschiedenen spirituellen Pfade wird anerkannt. Das Christentum ist nicht besser oder schlechter als anderen Wege.

- Schliesslich erläutern Wilber et al. die letzte und höchste Stufe: der "Integrale Gott". Das universelle "Christusbewusstsein" kann in allem und jedem gefunden werden. Inwiefern es sich nun in Wahrheit aber eher um eine pan(en)theistische Sichtweise handelt, ist für mich offen? Es müsste doch vielmehr der Gott als Schöpfer dieser Welt, als creatio ex nihilo, dass Kriterium für eine kosmozentrische Sichtweise des monotheistischen Glaubens sein.

Patten (2009) erläutert auch noch einen neurologischen Grund, warum wir uns der 2. Person-Spiritualität hingeben sollten. Das menschliche Gehirn hat sich in Gruppen von Jägern und Sammlern entwickelt. Entsprechend ist es mental und emotional auf Beziehungen zu anderen hin geprägt. Das Gehirn ist ein Beziehungsorgan. Dieser relationale Aspekt kann bei einer 1. Person "IAMness"-Spiritualität oder 3. Person Naturkontemplation oder Philosophie nicht zum Ausdruck kommen

Wie die Unterteilung in magisch, mythisch, rational, pluralistisch und integral für einen pantheistischen Glauben aussehen müsste, bleiben uns Wilber et al. schludig. Wenn wir bei Pantheismus an Hinduismus denken und dort insbesondere an die Advaita Vedanta-Lehre, dann müsste diese Stufenfolge wohl ungefähr so aussehen:

- Auf der magischen Stufe sind all die vedischen Opferrituale.

- Auf der mythischen Stufe ist die polytheistische Götterwelt der Inder (z.B. Brahman: der Weltenschöpfer, Vishnu: der Weltenerhalter, Shiva: der Weltenzerstörer).

- Die rationale, aufgeklärte Stufe scheint im Hinduismus noch relativ wenig entwickelt zu sein. Eine Ausnahme kann hier vielleicht Radhakrishnan darstellen. Der Oxford Professor und President Indiens.

- Was den Pluralismus anbelangt, so ist dieser im Hinduismus im allgemeinen hoch einzuschätzen. Denn es besteht unter den Indern eine grosse Toleranz, was die grosse Vielfalt an Götter anbelangt. Zum Teil wird sie auf eine Alleinheit hinter allen Dingen zurückgeführt. So die klassische Advaita Vedanta-Lehre und im Neohinduismus der Idealismus bei Sri Ramakrishna und Sri Vivekananda. Mit Idealismus ist auch das Stichwort für die letzte, die integrale Stufe genannt.

- Während ich Mühe habe von einem "integralen Gott" zu reden, scheint mir mit dem Hindu-Idealismus, beginnend mit den Upanishaden um ca. 500 v.u.Z., die integrale Stufe geboren zu sein. Über Shankara im Mittelalter hin zu Beginn vom 20. Jahrhundert bei Sri Aurobindo. Sri Aurobindo hat nach Studium des deutschen Idealismus und klassischen indischen Schriften eine elaborierte spirituelle Philosophie entwickelt, welche westliches, evolutionäres Denken mit altem, indischem "integralem Denken" zu verbinden versuchte. Und es ist jenes "integrale Denken", dass auch Ken Wilber sehr beeinflusst hat.

Was für mich jedoch sehr problematisch ist, dass mit ganzheitlichem Denken meistens auch Meditation einhergeht. Die Einheit von allem soll direkt mystisch fühlbar und einsichtig werden. Neben dem Hinduismus ist der direkte Erfahrungsaspekt der Meditation auch für den Buddhismus sehr zentral. Ein aufgeklärtes, philosophisches Denken sperrt sich nun aber gegen "esoterische" Einsichten, die nur dem Einzelnen einsichtig werden (wenn überhaupt !) und nicht intersubjektiv vermittelt werden können. Integrales Denken ist für mich v.a. als eine spekulative, philosophische Weltsicht von Bedeutung. Mit der integralen Sichtweise wird auch einem überschiessenden post-modernen Pluralismus entgegengehalten. Aus der Sicht einer Alleinheit bin ich zwar Gott, aber sind wir alle zusammen auch Gott, und v.a. muss ich Gott - die Einheit - auch noch im Geringsten von uns allen erkennen (vgl. Posting "The Heart of Integral Thinking", vom 1. März '09)! Dies das liebevolle Paradox integralen Denkens.

Als spirituelle Praxis möchte ich aber doch nicht ganz auf die Meditation verzichten. Die Augen schliessen und versuchen Ruhe im "Monkey Mind" zu finden, ist nicht ganz einfach. Und wenn ich wieder die Augen öffne, was für eine Ruhe um mich herum. Wenn auch dieses Gefühl nicht lange anhält. - Ob beten da die bessere Alternative ist?

Zurück zur Metapher: "Die drei Gesichter integraler Spiritualität". Entweder versuche ich den Geist reinen, formlosen Bewusstseins in Meditation in der Form der 1. Person zu finden ("integrales Erwachen"). Oder im Gebet der 2. Person in "integrale Kommunion" mit dem ganz Anderen, dem geliebten göttlichen "Du", dem Schöpfer dieser Welt, zu treten. Oder in der 3. Person über die Welt, den Kosmos zu kontemplieren. Die Spiritualität der 3. Person eröffnet sowohl Naturmystik, wie auch Wissenschaft, Philosophie und Theologie. Wahre integrale Spiritualität versucht alle drei Sichtweisen einzubeziehen und zu transzendieren ("to transcend and include"). Und der Schlüssel "zum Ganzen", der dies möglich macht, ist nach Wilber et al.: "The paradoxical understanding at the heart of true nondualism makes room for the full range of all dualist possiblities." So die neuste Generation integraler Denker, in der Linie von Sri Ramakrishnan, Sri Vivekananda und Sri Aurobindo. Liberale Religion würde wohl aber das Gleiche an religiösem Pluralismus ermöglichen...


Literatur:

Ken Wilber, Terry Patten, Adam Leonard & Marco Morelli. 2008. Integral Life Practice - A 21st-Century Blueprint for Physical Health, Emotional Balance, Mental Clarity and Spiritual Awakening. Integral Books, Boston. Insbesondere: Chapter 7, The Spirit Module, S. 197-230.

Terry Patten. 2009. The Three Faces of Spirit. http://integralheart.com/node/129.

Samstag, 11. April 2009

... to make the universe as interesting as possible?

Der Physiker Freeman Dyson schreibt (in seinem Buch 'Imagined Worlds'): "The laws of nature are constructed in such a way as to make the universe as interesting as possible." Auch Leid und Schmerz können so als "interessant" gesehen werden. "In Tolkein's mythology of the founding of the world and Middle Earth, God intentionally puts a disharmony into the world that he knows will give rise to evil. He does this because without evil, there can be no heroism and without heroism there aren't any good stories, and good stories are part of what makes life interesting." (Zitiert nach Thomas Schenk, Pantheist Spirituality, Digest No. 1767, April 1 '09.)

Geht es in der Ostergeschichte von Jesu Sterben am Kreuz auch nur um eine heroische Heldengeschichte oder soll Ostern mehr bedeuten? - Die Zusage von Gott, dass er das Leiden dieser Welt auf sich nimmt und uns im Kampf gegen das Böse nicht alleine lässte. Wobei das Leiden am Kreuz in all seinen Qualen wohl nicht mehr bloss als "interessant" angesehen werden kann, sonderen eine Chiffre ist, für eine tiefer gehende Beziehung. Die aber auch so verstanden werden muss, dass etwas wirklich nicht mehr "im Gleichgewicht der Kräfte" ist. Gottes Sterben am Kreuz als Hoffnungslicht in einer Welt der (partiellen) Finsternis? Oder sogar als Zeichen dafür, dass die guten Mächte dieser Welt geschlagen sind? Aber der Ostermythos will uns ja auch durch Jesu Auferstehung die Aussicht auf ein ewiges Leben mit Gott im Jenseits versichern. Und was braucht ein wahrer Held mehr an Versicherungen?
Also doch Ostern als die Geschichte über Verrat, Mut und Selbstaufopferung - kurz: Liebe. Ostern handelt von Hoffnung in selbst hoffnungslosesten Situationen. Und es ist die Gewissheit eines guten Endes (wenn auch erst im Jenseits). Tod und Grausamkeit sind nicht das letzte Kapitel dieser Geschichte. Liebe und Hoffnung triumphieren und der Geist des geliebten Propheten lebt weiter. Ostern ist eine Frühlingsgeschichte, in einer Zeit wenn die Natur zu neuem Leben erwacht. Die Botschaft der Ostergeschichte ist die Entdeckung, dass Leben immer wieder auf's Neue beginnen kann, selbst in der Gegenwart des Todes. [So eine Unitarian Universalist inspirierte Osterinterpretation.]

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Matthäus, 27, 46 & Markus, 15, 34; Jesus ruft in unmittelbarer Todesnähe mit den Worten eines Psalms: Psalm, 22,2).

"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." (Lukas, 23, 34).

"Ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradis sein." (Lukas, 23, 43).

"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist." (Lukas, 23, 46).

"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht." (Johannes, 12, 24).

Donnerstag, 9. April 2009

Multiple religiöse Identität: Pluralismus jenseits von Exklusivismus und Relativismus

„Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“

Steht in Nostra Aetate (über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen) noch, dass die verschiedenen Religionen "doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet." So wird dieser Lichtstrahl - im Zeichen liberaler Religion - zum Licht, das die "Kathedrale der Welt" erleuchtet! Ein Licht, das durch die verschieden gezeichneten und gefärbten Fenster (den verschiedenen Religionen) in die Kathedrale hereinscheint, die unsere Welt ist.

Implizit ist der Vorstellung von der "Kathedrale der Welt", dass durch Kombination unterschiedlicher Vorstellungen vom Absoluten ein volleres Verständnis der Wahrheit möglich wird. Auch wenn eingestanden werden muss, dass z.B. Alleinheit oder allmächtiger Gott sich als Vorstellung (teilweise) ausschliessen. Aber der Preis von religiösem Pluralismus ist, dass wir den Anspruch auf letzte Welterklärung aufgeben müssen. Aber es werden wohl auch sonst nur Fundamentalisten und Fanatiker glauben, dass sie durch ungestörte und vollständige Hingabe an ihre jeweilige Religion zur letztgültigen Wahrheit vorstossen könnten! Ein aufgeklärtes Religionsverständniss verlangt Bescheidenheit.

Erinnern wir uns, was Kant geschrieben hat: "Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben; die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ Damit sind die Antinomien der Vernunft gemeint. Hat die Welt einen Anfang in der Zeit oder ist sie anfangslos? Ist die Welt räumlich begrenzt oder ist sie grenzenlos? Gibt es ein kleinstes Teilchen (aus dem die Welt zusammengesetzt ist) oder nicht? - Solche und ähnliche Fragen machen uns deutlich, dass unsere Wirklichkeit halt ein im letzten undurchdringliches Geheimnis ist. Aber ich finde, dass gerade die Antinomien der Vernunft uns ein Gefühl dafür geben, wie schillernd wohl die Wirklichkeit sein muss. Sich widersprechende Religionsbilder können wohl entsprechend eher als ein Zeichen gewertet werden, dass wir auf der richtigen Spur sind, als nicht. Dies klingt zwar streng logisch paradox, scheint mir aber dennoch als Intuition noch einsichtig zu sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf ein paar wichtige Einsichten der Religionspsychologie hinweisen (nach James Fowler):
"Selbständiges Denken lernt das Kind mit ca. sieben Jahren, wobei sich dieses nur auf konkrete Dinge bezieht, abstrakte Schlussfolgerungen sind noch nicht möglich. Der damit einhergehende mythisch-wörtliche Glaube nimmt die kognitiven und psycho-sozialen Bedürfnisse dieser Phase auf und beinhaltet ein klar strukturiertes, auf eindeutigen Regeln beruhendes Weltbild. Religiöse Überlieferungen werden wörtlich verstanden, Gottesbilder haben anthropomorphen Charakter. Trotz seines typischen Auftretens im Kindesalter zeigt sich der mythisch-wörtliche Glaube auch bei vielen Erwachsenen; er findet sich wieder in fundamentalistischen Bewegungen, die auf einem wörtlichen Verständnis der Bibel bestehen und deren Gottesbeziehung vornehmlich durch ein enges Verhältnis zu Jesus charaktereisiert ist - eine Form biblisch gerechtfertigter Anthropomorphie.
Ab ca. zwölf Jahren beginnt der nächste kognitive Entwicklungsschritt. Nach seinem Abschluss können Kinder bzw. Jugendliche abstrakt denken und sind fähig zur Perspektivenübernahme. Zu der nun zu bewältigenden Aufgabe der Identitätsbildung trägt auch der synthetisch-konventionelle Glaube bei. Die Bedeutung, die Erwartungen und Urteilen anderer in dieser Phase zugeschrieben wird (Wie sieht Gott mich, wie sehen andere mich?), spiegelt sich in einer konventionellen Ausrichtung des Glaubens wieder. Diese ist der stabilisierende Rahmen für die Phase der Selbstwerdung: Eine persönliche Gottesbeziehung und starke Plausibilitätsstrukturen geben Rückhalt und Sicherheit.
Ein Hinterfragen der synthetisch-konventionellen Religiösität leitet die individuierend-reflektierende Phase ein, die durch kritische Distanzierung von dem bisher als selbstverständlich Angenommenen gekennzeichnet ist. Es kommt zu einer Entmythologisierung des Weltbilds, Symbole werden im Sinne Tillichs "gebrochen". Die individuierend-reflektierende Stufe stellt somit eine Distanzierung von der Religiösität dar, die in den meisten Fällen den Schlusspunkt der religiösen Entwicklung bedeutet. Nur wenige wagen nach der Abwendung eine Rückkehr, kommen zu dem Schluss, dass Rationalität nicht alles sein kann und öffnen sich im Sinne einer "zweiten Naivität" (Ricoeur) erneut für religiöse Symbolik. Eine solche Phase des verbindenden Glaubens ist gekennzeichnet durch Offenheit und Weite. Was zuvor als unvereinbar und widersprüchlich betrachtet wurde, wird nun mit Augen für die Wahrheit des anderen gesehen, "frei von Beschränkungen auf Stamm, Klasse, religiöse Gemeinschaft und Nation". Erst jetzt scheint die Bereitschaft für plurale Religiösität gegeben.
Folgt man Fowlers Annahme einer hierarchischen Abfolge von Stufen, so kann sich plurale Religiösität erst entwickeln, wenn zuvor ein synthetisch-konventioneller Glaube gelebt wurde; wenn dieser sodann hinterfragt und einer kritischen Distanzierung unterzogen wurde, die aber nicht bestehen blieb, sondern in eine erneute Suche nach tieferen Ebenen von Wahrheit mündete. Erst in dieser Phase, dem verbindenden Glauben, beruht die Weltanschauung nicht mehr auf einer dichotomen Logik von wahr und falsch, ist bereit für eine Wahrnehmung der Einheit von Gegensätzen. Was in der synthetisch-konventionellen Phase des Glaubens als nicht rechtgläubig oder dem jeweiligen Konsensus widersprechend beurteilt worden wäre, kann jetzt als gleichberechtigt betrachtet werden. Eine Identifikation mit mehr als einer religiösen Tradition im Sinne multipler religiöser Identität ist möglich, oder auch die Integration von Elementen anderer religiöser Traditionen in die eigene Patchwork-Religiösität.
Schliesslich kann auch noch eine letzte, sechste Stufe der Religiositätsentwicklung identifiziert werden, die als universalisierender Glaube bezeichnet wird. Ihm sind die wenigen Individuen zuzuordnen, denen in Anbetracht der Selbsttranszendenz die Selbsterhaltung irrelevant wird. "Das Selbst auf der Stufe 6 fühlt sich verpflichtet, sich für die Verwandlung der gegenwärtigen Realität in Richtung auf eine transzendente Aktualität einzusetzen und sich für sie einsetzen zu lassen."" Damit haben wir wohl die "Jesus-Stufe" erreicht!
aus: "Religiösität und Identität" von Tatjana Schnell, in: Reinhold Bernhardt und Perry Schmidt-Leukel (Hrsg.). "Multiple religiöse Identität - Aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen". Theologischer Verlag Zürich, 2008, S. 170-172.

Mittwoch, 1. April 2009

Vom "Höheren" und "Niederen"

Die klassische, schöpfungstheologische Sichtweise ist, dass das "Niedere" (wir Menschen, Tiere, Pflanzen, Planeten, etc.) vom "Höheren" - "Gott" oder der "Alleinheit" - abstammt. Diese Sicht lässt aber die Frage offen, woher das "Höhere" -"Gott" kommen sollte? - Im Falle einer "Alleinheit", wird das schöpferische, kreative Prinzip in die Einheit integriert. Das menschliche Leben wird zu einem Teil des Grösseren, des lebendigen Kosomos. Wie die Welt und das Leben in erster Instanz entstanden ist, bleibt aber ebenfalls offen? - Der lebendige Kosmos/die "Alleinheit" wird als immer schon dagewesenes verstanden.
Umgekehrt kann auch die Sichtweise der modernen Evolutionstheorie die Existenz der Welt nicht wirklich erklären. In ihrer Verabsulutierung versucht die Evolutionstheorie im "Evolutionismus" radikal alle Bereiche, inkl. der Religion (!), zu durchdringen. Dies ist der Ansatz von Richard Dawkins und Daniel Dennett. Ausgangspunkt ist das "Niedere". Die "Ursuppe" der Erde, aus der heraus die erste lebende Zelle entstanden ist. Die sich dann durch Komplexifikation zu mehrzelligen Organismen (Pflanzen, Tiere und Menschen) entwickelt hat. So die moderne Sicht der Evolutionstheorie. Aber auf die erste metaphysische Frage, warum etwas ist und nicht vielmehr nichts, weiss auch sie nicht wirklich eine Antwort. Ebensowenig kann sie die Entwicklung der Evolution bis hin zu bewusstseinsfähigen Tieren und Menschen schlüssig darstellen. Wie kann aus Materie, wenn auch lebendig, Bewusstsein entstehen? Hier findet ein qualitativer Sprung statt, der durch rein materialistisch-mechanistische Erklärungen nicht erklärt werden kann! Und die Reduktion der Religion auf ihre Vorteile im Überlebenskampf (so die radikal-evolutionäre Sicht), verkennt die ontologisch-theologischen Tiefendimensionen der Religion. Religion ist immer auch eine Antwort auf die Sinnfrage und die Herausforderung durch den Tod.
Wollen wir noch eingestehen, dass Robert Nozick einen ersten Lösungsansatz für die Frage warum diese Welt besteht, entwickelt hat. Zudem ein sehr simpler. Wir können uns n-verschiedene Varianten vorstellen, wie eine existierende Welt sein könnte. Das Nichts gibt es jedoch nur in einer Variante. Ensprechend ist nach seiner Logik die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt etwas gibt, grösser, als dass es nichts gibt. Anderseits muss eingewendet werden, dass "existieren" wohl ungemein viel anspruchsvoller ist, als das simple "Nichts"/"Nicht-Sein"! Was wäre denn einfacher als das "Nichts"? - Warum also ist diese Welt?