Freitag, 24. April 2009

Vom "Virus des Glaubens" und anderem Unsinn!

Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") und Daniel Dennett ("Den Bann brechen") sind Verfechter eines radikalen Atheismuses. Ihr Hauptargument ist, dass "egoistische Gene" uns an Gott und Götter glauben lassen. In Wahrheit geht es aber nur um die Verbreitung dieser "egoistischen Gene". Das ganze Menschsein reduziert sich auf die Programmierung durch unsere Gene. Als Gründe für die Persistenz solcher Gene wird eine kognitive Erklärung geliefert, welche Religion als Nebenprodukt sieht.

Die Möglichkeit rasche Vorhersagen machen zu können ist wichtig. Dabei wird aber auch mal vorschnell ein Agent angenommen, der gar nicht existiert. Zugespitzt formuliert ist es das Rauschen der Blätter und das Wehen des Grases, mit den dahinter vermuteten Raubtieren, was uns zur Religion gebracht haben soll. Als potentielle Beute für grössere Raubtiere musste auch der Mensch auf der Hut sein und hat besser einmal mehr als einmal weniger ein Raubtiere im Gebüsch angenommen. Nun hat sich – nach Dawkins und Dennett – diese Kognition verselbständigt und lässt uns heute Götter hinter Bewegtem vermuten!

Warum wir aber gerade Götter vermuten sollten, ist bei dieser Erklärung nicht einsichtig? Vielmehr müssten wir vor allen sich im Winde bewegenden Pflanzen Angst haben. Wie aber Raubtiere zu Schutzgötter werden sollen, ist nicht klar?

Ich glaube, alle diese neodarwinistischen Theorien zur Erklärung von Religion kranken an mehrfachen Reduktionismen:

1. Die erste und zugleich Hauptkritik ist, dass naturalistische Erklärungen verkennen, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen biologischen Erklärungsfaktoren einerseits und theologisch-religionsphilosophischen Begründungen anderseits gibt. Es geht um den Unterschied zwischen Genese (naturwissenschaftliche Erklärung) und Geltung (geisteswissenschaftliche Begründung). Von der Tragweite des Unterschiedes her kann man gar von einer "ontologischen Differenz" sprechen. Ein solcher Zugang soll deutlich machen, dass es hier um etwas grundlegendes geht: um die grundsätzliche Begründbarkeit von Religion. Deswegen wollen wir diese ontologische Tiefenstruktur als die Ebene der Religion bezeichnen.
Zu dieser Problematik gehört auch das Problem der Schöpfungsmythen. Diese sollen nicht wortwörtlich verstanden werden, als Berichte über die tatsächliche Entstehung der Welt. Sondern als Geschichten, die Göttliches zum Ausdruck bringen. Der Genesis-Mythos der Bible, z.B., soll uns vielmehr die Macht, Weisheit und Güte eines Schöpfergottes verdeutlichen, der die Welt aus Nichts erschaffen hat.

2. Dawkins und Dennett konzentrieren sich bei ihren Erklärungen auf die genetische Perspektive. Nur die Genselektion ist von Bedeutung. Allenfalls werden noch "kulturelle Meme" zugelassen. Die aber ebenso egoistische Replikatoren sind. Es werden also weitere, alternative Selektionsmechanismen verkannt. Für die evolutionäre Entwicklung von Religion ist die Selektion auf Ebene der Individuen und der Gruppen wohl ebenso wichtig. Individuen und Gruppen sind mehr als nur die Summe ihrer Gene und sollten entsprechend als entscheidende Evolutionsfaktoren anerkannt werden.

3. Womit wir auch gleich beim nächsten Kritikpunkt wären. Es wird nicht Unterschieden zwischen Potential und Realisierung. Damit ist gemeint, dass nicht unterschieden wird zwischen genetischem Potential und dessen Realisierung in einem konkreten Individuum. Die Genetik ist nicht 100 Prozent determinierend für ein Individuum. Vielmehr sind Umweltfaktoren mitentscheidend, zu welchem Ausdruck ein genetischer Faktor kommt.

4. Kultur als Virus. Es soll nicht bestritten werden, dass bestimmte Formen von Religion schädlich sein können. In einer Zeit von massenhaft existierendem religiösen Fundamentalismus brauchen, glaube ich, keine Beispiele aufgeführt zu werden. Wie aber geistige Viren, sogenannte "Meme", sich in unseren Köpfen festsetzen können, bedarf, meiner Ansicht nach, komplexere, psychologische Erklärungen. Zumindest scheint mir von Kultur und insbesondere vom Glauben als einem Virus zu sprechen, fehlgeleitet. Woher soll dieses übergrosse Eigeninteresse von kulturellen Memen kommen? - In der Memetik werden die starken Kräfte von individuellem Eigeninteresse und aufgeklärtem Altruismus als Gegenkräfte zu viralen Memen verkannt.

5. Bleibt die entscheidende Frage, was der Austausch des einen "hidden actors" - Gott - durch eine adere Form von "hidden agency" - Meme - bringt? Welche unsichtbare Kraft wirkt hinter den Dingen: Gott oder Meme?

6. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass Forscher im neu entstehenden Forschungsfeld der "Biologie der Religion" (Religionsgenetik, Religionsneurologie, etc.) aufpassen müssen, vorschnelle Schlüsse aus ihren Forschungsergebnissen zu ziehen. Dies im Falle, dass es sich um mehr handeln sollte, als dem Beschreiben der biologischen Zusammenhänge. So gibt es den alten naturalistischen Fehlschluss. Aus bestimmtem Sein kann noch keine normative Religion abgeleitet werden (Sein-Sollen-Vermischung). Ein damit zusammenhängendes Problem ist der logische Zirkel/petitio principii. Metaphysisch-religiöse Weltbilder müssen bereits vorausgesetzt werden, um die biologischen Fakten entsprechend interpretieren zu können. Wobei die Interpretation aber eigentlich erst das Ziel ist. So der Einwand des logischen Zirkels in der Begründung religiöser Einsichten.
Ein Ausweg kann ein reflexiver Prozess sein. Bestehende religiöse Weltbilder bilden den primären Orientierungsrahmen, der mit den neue gewonnenen, empirischen Erkenntnissen der Religionsbiologie in Relation gesetzt wird. Dies kann zu neuen religiösen Weltbildern führen, die dann wieder forschungsorientierend werden, sich wieder von den neusten Ergebnissen inspirieren lassen und so weiter und so fort.

Das Grundproblem von Genese und Geltung, bzw. von mechanistisch und teleologisch wird aber wahrscheinlich auch in Zukunft bleiben. Das Eine ist das quasi mechanistische Verständnis vom Ablauf des Evolutionsprozesses. Anderseits bringt die Evolution aber auch qualitative Tiefendimensionen zum Ausdruck. Leibniz hat dies mit der Trennung von Sinn- und Bewegungserklärung gut auf den Punkt gebracht. „Das Weltganze ist teleologisch, alle einzelnen Dinge und Vorzüge sind mechanisch zu erklären.“ Wir sollten mit Geist & Herz wahrnehmen und nicht nur mit der naturwissenschaftlichen Methode. Dann sollten schliesslich auch "Explosionen der Liebe" sichtbar werden.

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