Montag, 22. Februar 2010

Wozu Gott?

Gott: Die unbedingte Macht und das schlechthin Gute sind in ihrem Grund und Ursprung eins. Es ist ein Absolutes als Grund gedacht, das in keiner Weise mehr relativ auf etwas anderes bezogen ist. An einen Schöpfer glauben bedeutet, dass das Leben und Sterben nicht einfach irgendein biologischer Prozess in einem unendlich grossen Universum ist, sondern in jedem Augenblick Hervorgehen aus dem göttlichen Ursprung. Und wenn wir uns tiefer auf Gott einlassen, dann spielen die Unterschiede zwischen Juden, Christen und Moslems keine Rolle mehr.
Die Frage bleibt aber: Warum ist Gott verborgen? - Ist es wegen einer ungeheuren Schuld, welche wir Menschen zu verantworten haben? (So die Quintessenz von Genesis.) Oder spricht Gott durch uns? Sind das moralische Gefühl und die menschliche Vernunft Wegweiser einer höheren, göttlichen Instanz? Für Platon hat noch gegolten, dass Gott die Wahrheit ist und die Wahrheit göttlich ist. Aber spätestens die Postmoderne meint uns klar zu machen, dass "wir uns nicht einbilden müssen, dass die Welt uns ein lesbares Gesicht zuwendet." (Foucault). Oder ist dies auszuschliessen, weil mit dem Fehlen des Gedankens der Wahrheit auch der Gedanke der Wirklichkeit zusammenbrechen würde?
Und die zweite grosse Frage ist: Warum gibt es das Böse angesichts eines allmächtigen und guten Gottes? Eine wirkliche Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Aber es kann argumentiert werden, dass das Böse mit zur menschlichen Freiheit gehört. Denn Willensfreiheit setzt voraus, dass wir uns auch falsch entscheiden können und böses tun. Auch der wissenschaftliche und gesellschaftliche Fortschritt ist eine Quelle der Hoffnung. Bleibt aber die Frage, warum frühere Generationen einen höheren Preis haben zahlen müssen als wir? Ist Gott die Liebe, aber vielleicht zu schwach für eine vollkommene Welt? Dann stellt sich aber die Frage: Welche Kräfte neben Gott gibt es noch? Wie stark ist dieser Widerstand gegen das Göttliche? Ist er eine so starke Kraft, dass man von einem Teufel reden müsste?
Wenn wir die Idee von Gott ganz aufgeben und nur noch eine absurde Welt meinen zu erkennen, geben wir dann nicht zuviel auf? Gibt es wirklich nicht mehr als nur Enklaven von Sinn und Freude in einem absurden Ganzen? Absurd ist Abwesenheit von Sinn dort, wo wir ihn erwarten würden. Umgekehrt heisst Freude darüber, dass Gott ist, in der traditionellen Sprache Gottesliebe. Die Welt ist also nicht sinnlos, sondern wird von einer göttlichen Macht hervorgebracht und erhalten. Die Welt wird von etwas Göttlichem gehalten. Das Tao ist am wirken.
"Freude am Glück eines anderen", so definiert Leibniz Liebe. Und da wir uns Gott als glücklich zu denken haben, muss er wohl also auch gut sein! Aber kann uns der Glaube an einen Gott zu grösseren Anstrengungen motivieren, Leiden zu lindern? Kann er auch unsere Bereitschaft vergrössern Leiden anzunehmen, zu akzeptieren? Aber es gilt wohl nicht, dass "wenn Gott nicht existiert, alles erlaubt ist!?" (Dostojewski). Auch als Atheisten können wir den Humanismus und die Moral hochhalten.

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Ich habe mich oft gefragt
Und keine Antwort gefunden
Woher das Sanfte und das Gute kommt.
Weiss es auch jetzt noch nicht
Und muss nun gehn.
Gottfried Benn

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Mehr zu diesem Thema im Aufsatz von Robert Speamann, "Das unsterbliche Gerücht". Dieser Text ist einer Textsammlung mit dem Titel "Wozu Gott? - Religion zwischen Fundamentalismus und Fortschritt", Verlag der Weltreligionen, 2009 erschienen. Der Funkkollleg zum gleichen Thema beim Hessischen Rundfunk kann nur wärmsten empfohlen werden: Funkkolleg 'Religion und Gesellschaft'.

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