Mittwoch, 17. März 2010

Anatomie der menschlichen Destruktivität

So lautet der Titel von einem Hauptwerk von Erich Fromm. Wegen seines Umfangs konnte ich mich bis heute leider noch nicht dazu überwinden, es ganz zu lesen. Nun hat BRalpha ein Gespräch mit Erich Fromm wiederholt (am 15.3.10; anlässlich seines 30. Todestages), das genau dieses Buch zum Inhalt hatte. Meine Notizen:

Ist Aggression das angeborene Böse? - Fromm meint nein. Tiere haben zwar angeborene Aggression, setzen diese aber nur defensiv ein, nur wenn sie wirklich notwendig ist. Der Mensch ist das einzige Tier, das Destruktivität auch ganz irrational einsetzt. Der Mensch kann eine Lust am zerstören und quälen entwickeln, wie sie so im Tierreich nirgendwo vorkommt. Evolutionär kann der Übergang vom Tier zum Menschen durch drei Faktoren beschrieben werden: immer tiefere Instinktdeterminiertheit, eine rapide Zunahme an Denkkapazität und schliesslich die Herausbildung eines Selbstbewusstseins. So ist der Mensch aus der Natur herausgetreten. Kultur hat die Rolle von Instinkten übernommen. Und der Mensch kämpft um Freiheit, um sich vollkommen entfalten zu können.
Aber der Mensch hat eine spezifisch bösartige Destruktivität, die nur ihm eigen ist. Warum aber dieses menschlich abgrundtief Böse? - Eine religiöse Antwort wäre z.B., dass es die Folge des Sündenfalls ist und somit unsere Bestrafung. Menschliche Ursachen können grundsätzlich zweierlei angegeben werden: einerseits gesellschaftliche, ökonomische und politische, anderseits unsere Auseinandersetzung mit unserer Sterblichkeit.
Fromm hat nun zwei Formen der Destruktivität besonders untersucht: den Sadismus und die Nekrophilie.
Im Falle des Sadisten werden einerseits sexuelle Gründe genannt. Die Lust andere körperlich und psychisch zu fesseln, zu quälen, zu demütigen und zu verletzen. Fromm geht es aber weniger um diese sexuelle Komponente, als um die Leidenschaft ein anderes Lebewesen vollkommen zu kontrollieren, Macht über andere Lebewesen zu haben. Es ist der Traum von Allmacht. Der Sadist hasst nie den Starken. Er verehrt den, der ihm überlegen ist. Aber der Sadist hasst den, der schwach ist. Ohnmacht ruft die Besessenheit hervor, den anderen zu kontrollieren, ihn zu seinem Objekt zu machen. (Anstatt ihn zu lieben!) Egal ob Hund, Kind, Sklave oder abhängige Menschen. Der Sadismus ist die Leidenschaft der seelischen Krüppel! Es ist der Versuch die eigene Ohnmacht - sowohl sozial (soziale Bedingungen), wie auch existenziell (Tod) - zu kompensieren, indem man Gott wird. Es ist ein Allmachtswahn, für den der Sadist bereit ist, alles zu opfern.
Die andere Form der menschlichen Destruktivität ist die Nekrophilie - die Leichenschändung. Es ist das Bedürfnis zu zerstückeln: Leichen, Menschen, kurz alles Lebendige! Während der Sadist das Leben nicht zerstören will, hasst der Nekrophile das Leben. Der Sadist will es nur ganz beherrschen, der Nekrophile will es ganz zerstören. Der Nekrophile will Rache nehmen, dass er selbst das Leben nicht erlebt hat. Der Gegenbegriff wäre Biophilie: die Liebe zum Lebendigen, der Wunsch das Wachstum zu fördern.
Fromm hat sich natürlich auch Gedanken gemacht, wie die menschliche Destruktivität überwunden werden kann? - Wenn das Leben interessant, liebenswert und lebenswert ist. Wenn Menschen Freude am Leben haben. Dann verwandelt sich ihre Lebensenergie nicht in sadistische oder destruktive Energie. Heute ist aber das Leben vielfach uninteressant und langweilig. Und die Destruktivität ist die Antwort auf das ungelebte Leben.

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Ins Dasein geworfen.
Ins Dasein geliebt.
Das Mysterium, 
das dem Leben seinen Sinn gibt.
Das Unverzeiliche zu vergeben.
Atemberaubend - 
die Seele des Guten.

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