Samstag, 12. Juni 2010

Anatomie der menschlichen Destruktivität III

Merkmale einer antisozialen Persönlichkeit

- Kontaktstörungen: Als Folge affektiver, emotionaler Verwahrlosung während der Kindheit leiden Menschen mit einer anti-sozialen Persönlichkeitsstörung unter Kontaktstörungen. Sie haben lernen müssen, dass man niemandem trauen kann. Sie wurden in ihrer Kindheit so oft von anderen enttäuscht, dass sie jede Zuversicht aufgegeben haben. Ein Misstrauen in die Menschheit wurde grundlegend. In diesem Zusammenhang muss entsprechend festgestellt werden, dass Psychopathie (Erkrankung der Psyche) mit Soziopathie (Störung des sozialen Verhaltens) miteinander einhergehen können. Wobei ein Mangel an sozialen Kontakten auch weiterhin die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls verhindert.
- antisoziale Einstellung: Der Psychopath ist aufgrund der fehlenden Liebe und emotionalen Verbundenheit zum antisozialen Menschen geworden. Da er im Leben zu kurz gekommen ist und emotional nicht ausgeglichen ist, können sich Hass- und Rachegefühle entwickeln. Diese negativen Gefühle richten sich oft gegen das „Establishment“, denn dem hat er nie angehört und nie davon profitiert.
- geringes Einfühlungsvermögen: Wegen ihrer defizitären sozialen Entwicklung verfügen Psychopathen häufig nur über ein geringes Einfühlungsvermögen. Da die Eltern sich nicht in ihr Kind haben einfühlen können, woher sollte dann ein Kind lernen, sich in andere Menschen einfühlen zu können? Umgekehrt ist aber die Frustrationstoleranz des Psychopathen sehr klein. Triebgesteuert und durch kein Überich gebändigt, kann schon der kleinste Anlass zu einem Wutausbruch führen. Psychopathen sind emotional unreif.
- schwaches Überich/Gewissen: In einem Klima emotionaler Kälte, vielleicht sogar schwer misshandelt und missbraucht, kann sich kein richtiges Gewissen/Überich entwickeln. Es fehlt dem Kind jegliches Vorbild für richtiges moralisches Handeln. Es lernt nur die Logik des Stärkeren kennen. Aber nur mit einem schwachen Gewissen ausgestattet, ist der Mensch als Erwachsener dann nicht zu Selbstkritik oder Selbsteinsicht fähig. Umgekehrt ist aber sein Triebleben sehr stark und ohne starke Überich-Kontrolle. Folglich sind häufig Sittlichkeitsverbrechen und Sadismus (sexueller Genuss beim Quälen seiner Opfer) anzutreffen.
- schwer erziehbar: Hat ein Psychopath erst einmal eine antisoziale Einstellung verinnerlicht, ist diese nur mehr schwer veränderbar. Die traumatischen Erfahrungen und Verletzungen sind tief und die Einsicht in moralisches Handeln fehlt. Was nötig wäre, wäre ein starkes, charismatisches Vorbild, das sogenanntes „Lernen am Model“ ermöglichen würde. Der Psychopath müsste die Einsicht gewinnen können, dass sich soziales Verhalten „lohnt“ (nach längerfristigem Nutzenkalkül) und dass es moralisch erstrebenswert ist!
Da jedoch das tödliche Ende von jedem von uns irgendwann sicher ist, stellt sich die Frage, was soll mich trotzdem zum moralischen Handeln motivieren? Ist nicht angesichts des Todes jede Anstrengung und jedes Engagement sinnlos? Oder sollten wir gerade weil wir nicht ewig leben werden, versuchen der kurzen Zeit unsres Daseins auf Erden erst recht einen Sinn zu geben? 

Wie kann "lebendig sein" pathologisch werden?
Aber wenn wir genauer in uns hineinfühlen, dann merken wir auch, dass unser Menschsein angesichts des Todes durch Angst und Verzweiflung geprägt ist. Im Sein zum Tode kollabiert die normale Ordnung unserer Welt. Wie schön sind da die Erinnerungen an ein gutes Alltagsgefühl. Dieses ontologische Chaos macht deutlich, dass die Gründe für antisoziale Psychopathie auch in einem irrsinnig gewordenen Daseinsgefühl liegen können. Die Welt überfordert uns. Zu leben kann zur Last werden. Das gute Gefühl lebendig zu sein, kann sich in Pathologien verstricken.

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