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Wenn wir nun solche eschatologische Spekulationen betreiben (Eschatologie = die letzten Dinge betreffend), sollten wir uns ein paar weitere Dinge vergegenwärtigen:
Einerseits, dass die Apokalyptik die Kehrseite der Utopie ist. Der Fortschrittsoptimismus der Moderne war immer schon von einer apokalyptischen Unterströmung begleitet.
An die Stelle religiöser Hoffnung auf Gott und seine Vorsehung tritt in der Moderne die Hoffnung auf den Menschen mit seiner Rationalität (-> Quelle einer "vernünftigen" Moral) und seiner Fähigkeit zur Naturbeherrschung (-> Der Mensch kann die Naturkräfte beherrschen und ist ihnen nicht mehr einfach schutzlos ausgeliefert).
Anderseits kann die Katastrophe auch als Durchgangsweg zum Heil gesehen werden, wie z.B. die Offenbarung des Johannes in der Bibel berichtet. In der Gegenutopie der Apokalyptik werden Hoffnung und Angst zugleich thematisiert. Die Untergangsvisionen bilden nur den dunklen Hintergrund für die apokalyptischen Hoffnungsbilder einer neuen, besseren Welt. Der Weg zum Heil führt durch die Katastrophe. Neue Lebensmöglichkeiten liegen nicht mehr innerhalb des jetzigen Geschichtskontinuums, vielmehr liegen sie jenseits dieses Endes. Apokalyptik macht klar, dass alles Leben, sowohl individuell, wie kollektiv, endlich, zeitlich befristet ist. Apokalyptik ist der Versuch auf die Erfahrung menschlicher Ohnmacht und fremder Übermacht zu antworten. Apokalyptik ist der letzte, grösste Versuch von Krisenbewältigung. Das Ende ist Voraussetzung dafür, dass Neues entstehen kann. Der drohende Untergang wird so zu einem Übergang oder Durchgang zu etwas Neuem, das aus der Krise wieder herausführt.
Ob man die Apokalyptik auch als eine Form der philosophischen Aufklärung bezeichnen kann, bleibt eine offene Frage? In der Apokalyptik werden die Strukturen des Bösen sehr stark gezeichnet. Die Gefahr besteht nun darin, dass in ein zu einfaches Schwarz-Weiss-Denken von Gut und Böse, von Licht und Finsternis verfallen wird. Weiter kann Apokalyptik zu einer Form des Eskapismus werden, wobei die negativen Tendenzen überbetont werden, und reale Handlungs- und Veränderungsmöglichkeiten übersehen werden.
Glaube ist schliesslich eine Form des Mutes. Es heisst die Welt gegen alle Widerfahrnis als von Gott gewollt und bejaht anzunehmen. Diese Bejahung des Seins, auch in Situationen der äussersten Bedrohung, zeichnet waren Glauben aus. Gott ist dabei der letzte Garant von Sinn. Und für das Christentum zentral sind die beiden Dimensionen von Gnade und Versöhnung. Ohne Vergebung kann unser Handeln wie erstarren. Und in der menschlichen Fähigkeit zu verzeihen, besteht nach Hanna Arendt das "Heilmittel gegen Unwiderruflichkeit".
(Der zweite Teil dieses Post fasst einige Argumente von Ulrich Körtner aus seinem Artikel "Weltangst und Weltende - Endzeit und Gericht aus christlicher Perspektive", erschienen im EZW Materialdienst - Zeitschrift für Religions- und Weltanschuungsfragen, Nr. 7/10, zusammen.)
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