Samstag, 7. Mai 2011

Narzissmus und Depression

Narzissmus: "Übersteigerte Selbstbezogenheit bzw. Selbstliebe". Warum sind gewisse Personen so darauf aus bewundert und angehimmelt zu werden? - Die daseinsanalytische Antwort ist, dass sie sonst Angst haben, gar nicht vorzukommen. Wir wissen, die Daseinsanalyse unterspühlt alle gewohnten Gewissheiten. Hat man dies einmal verstanden, dann wird klar, warum eine Bestätigung der eigenen Existenz so notwendig erscheint. Denn Existieren ist zunächst und zu erst durch nichts gesichert. Es gibt keinen ursprünglichen Sinn, keine unumstössliche Gewissheiten. Alles wird relativ. Und Narzissen brauchen deswegen ständige Bestätigung und Bewunderung, haben sie sonst doch mit dem "Monster" zu kämpfen, dass sie gar nicht vorkommen. Das ihre Existenz bloss zufällig und beliebig ist. Nichts von bleibendem Wert.
Depression: "Zustand der Niedergeschlagenheit, erschöpfungsartige Antriebs- und Initiativelosigkeit". Die Depression ist nach daseinsanalytischem Verständnis, eines der Grundprobleme des Menschen, dass immer im Hintergrund irgendwie lauert. Wenn unser Existieren von sich aus keinen eigenen Sinn hat, absurd und grotesk ist, stellt sich natürlich ständig die Frage, warum soll ich mich überhaupt noch für etwas engagieren? Ist doch eh alles sinnlos! Wir Menschen sind bloss Zufallsprodukte der Evolution. Worin kann dann noch Sinn bestehen? - Kleine Kinder kennen solche Probleme noch nicht. Sie können ganz in der Gegenwart leben und sich über ihr Leben freuen. Wird man aber älter, drängt sich die Sinnfrage immer mehr auf. Je mehr man über die Struktur der Welt lernt und je mehr Lebenserfahrung man gesammelt hat, kann es passieren, dass man keinen Sinn mehr in seinem Leben erkennen kann. Es gibt nur noch den gähnenden Abgrund des Todes, der unaufhaltsam näher kommt. Todesangst wird so zum einzigen, was einen noch antreibt und am Leben erhält.
Aus der optimistischen Sicht der evolutionären Spiritualität sehen diese beiden Probleme aber ganz anders aus. Narzissmus wird dadurch in Schranken gehalten, weil man erkennt, dass mein nur Teil eines gewaltigen Entwicklungsprozesses ist! Vor dem Hintergrund des grossen Werdeprozesses (Entstehung des Kosmos, Entstehung der Erde, Entstehung des Lebens, Entstehung des Menschen, und schliesslich seine kulturelle Entwicklung), erscheint das eigene Ego als nicht mehr so gross und von solcher Wichtigkeit. So kann man dem Solipsismus entkommen, sich als den Nabel der Welt zu sehen.
Für die Depression gelten aus der Sicht der evolutionären Spiritualität ähnliche Gedanken. Wenn man angesichts der grossen Entwicklungsprozesse, die zu unserer Welt und schliesslich zu uns selbst geführt haben, nicht mehr aus dem Staunen herauskommt, ist es unwahrscheinlich, die eigene Kreativität zu vergessen. Das Wunder, dass immer wieder Neues entsteht, lädt geradezu dazu ein, seinen eigenen kleinen Beitrag dazu leisten zu wollen. Teil des Entwicklungsprozesses zu werden und zu bleiben wird zu einem Lebensziel. Wobei aber - zu euphorisch - nicht vergessen werden darf, dass Neues oft erst entstehen kann, wenn Altes abstirbt. Und zweitens, leben wir in einer Welt der Knappheit. Fast egal was wir machen wollen, stellen wir fest, dass wir an Grenzen kommen, dessen was möglich ist: Lebenszeit, Wissen, soziale Möglichkeiten, Kapital, etc.

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