In den letzten zwei, drei Jahren haben acht religiöse Aktivisten aus verschiedenen Religionen sich in der Schweiz getroffen und angefangen über die trans-religiösen Grundlagen einer Globalen Spiritualität nachzudenken. Unter einer Globalen Spiritualität, kann der gemeinsame mystische Grund aller Weltreligionen verstanden werden. Dabei ist Vielfalt nicht eine Bedrohung, sondern vielmehr eine Quelle des Reichtums. Der gemeinsame Nenner wird vielleicht am besten mit einem "grossen Herz" beschrieben. Die Gruppe hat als Ergebniss ihrer gemeinsamen Konsultationen eine "Einladung zu einer Globalen Spiritualität" entworfen und auf der Website Global Spirituality in verschiedenen Sprachen veröffentlicht.
Im Folgenden ein paar Auszüge:
"Aufgabe [ist], uns mit unseren spirituellen Quellen zu verbinden - mit Quellen, die sich aus der umfassenden Erfahrung des Verbundenseins mit einer tieferen Wirklichkeit speisen. [...] [Es ist] eine Vision, die getragen ist von tiefem Respekt für die Essenz eines jeden philosophischen, religiösen oder spirituellen Weges, sofern er dazu ermutigt, sich für das Wohl der ganzen Menschheit und der Weltgemeinschaft einzusetzten. [...] Eine globale Spiritualität erkennt und anerkennt den ewig gegenwärtigen Grund des Seins - das Absolute, das von jeher die Mitte allen religiösen und spirituellen Strebens ist: die Quelle, aus der die vielen Namen Gottes entsprungen sind. [...] Globale Spiritualität ist [aber] keine neue Religion. Sie verlangt werder Mitgliedschaft noch Gefolgschaft. Sie ist eine sich im menschlichen Bewusstsein entfaltende evolutionäre Dynamik; eine integrative Macht, die die Menschheit als eine globale Familie zu vereinigen vermag.
In jedem menschlichen Wesen schlägt ein schönes Herz, worin Liebe und Weisheit erblühen können. Im Herzen schlummert eine umfassende Kraft, die Essenz des Seins, in der wir alle verbunden sind. [...] In der Tiefe unserers Herzens entdecken wir Stille und Klarheit, Frieden und liebevolle Zuwendung. Sie entspringt einer namenlosen Quelle jenseits aller Worte - Stille hinter der Stille, ein Flüstern der Wahrheit. Hier wachsen eine bedingungslose Liebe und eine allumfasssende Weisheit, die sich allen lebendigen Wesen auf natürliche und spontane Weise zuwenden.
Jedes Herz ist einzigartig, doch gibt es drei wesentliche Zugänge zu seinem innersten Raum: Der erste ist die Achtsamkeit des "ICH". Sie öffnet in uns eine weite Stille - den ewigen Grund allen Seins, aus dem das Universum und alle seine Erscheinungen hervorgehen. Der zweite Zugang ist der Weg der Hingabe an ein allumfassendes "DU". Sie führt uns in die stille Einheit mit der grösseren Weisheit und Liebe. Der dritte Weg folgt dem grossen Staunen und der Seligkeit, die sich einstellen, wenn wir das "ES" erkennen: die strahlende Vollkommenheit im grossen Gewebe des Lebens. [...]
Die Angst, unsere vergängliche Sicherheit und unser eingeblidetes Selbstbild zu verlieren, machen uns blind für unser wahres Selbst. Dies führt zu Leid in und um uns. Wenn wir aber unsere eigene Not annehmen und sie in reiner Achtsamkeit und mit liebevoller Zuwendung ans Herz nehmen, dann kann das Leid heilen und sich zu Weisheit und Mitgefühl wandeln. [...] Indem wir die Widerstände in uns selbst überwinden, werden wir auch den Schmerz anderer voller Mitgefühl annehmen und verwandeln: als ein Weg zur kollektiven Heilung der Welt. [...]
Wir sind fähig, Weltbürger zu werden, in unseren Gedanken, Worten und in unserem Handeln, um uns gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und verantwortlichen Umgang mit der Umwelt einzusetzen. Damit eine Weltkultur von Respekt, Mitgefühl und Solidarität entsteht, die den Planeten in einen Ort von Weisheit und Schönheit, Harmonie und Liebe zu verwandeln vermag."
Wen dies überzeugt, der kann sich auf der Website als Unterstützer dieser "Einladung zu einer Globalen Spiritualität" eintragen.
Christoph Quarch macht in seinem Buch "Unsere Welt ist heilig - Auf dem Weg zu einer globalen Spiritualität" (Herder, 2009) noch klar, dass Globale Spiritualität immer im plural ist. Sie übersteigt nicht die bekannten konfessionellen Spiritualitäten. Vielmehr ist sie der Wurzelgrund, der Humus, aus dem die vielen schönen Gewächse der Religionen und Weisheitslehren hervorgehen. Globale Spiritualität ist die Tiefendimension jeder spirituellen Tradition, in der die Verbundenheit und Übereinstimmung aller spirituellen Traditionen zu Bewusstsein kommt. Sie ist "in vielen Häusern zuhause". Widersprüche und Differenzen werden zugelassen. Der Facettenreichtum der Wahrheit wird anerkannt. Ihre Essenz ist die Liebe. Die verschiedenen Religionen finden in einer "Harmonie des Geistes" zusammen. Die vielen Stimmen fallen so zusammen, dass jede ihre Schönheit entfalten kann. Und gleichzeitig fügt sich jede Spiritualität in die Schönheit des Ganzen ein. "Ich bin ein Tanzschritt, und Gott ist der Tanz."
Wichtig für den interreligiöse Dialog ist auch das Parlament der Weltreligionen. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei die kurz dargestellte Geschichte des Parlaments der Weltreligionen empfoheln: Part 1 und Part 2. Es muss in diesem Zusammenhang auch noch auf den Unterschied zwischen dem Projekt "Weltethos" und der Globalen Spiritualität hingewiesen werden. Während das Weltethos so etwas wie ein Leuchtfeuer ist, das den Schiffen der unterschiedlichen Religionen und Kulturen die Richtigung weist, ist die Globale Spiritualität der Wind in den Segeln, der die Religionen vorantreibt. Er weht aus der Begeisterung des Herzens. Er weht aus der Erfahrung des göttlichen Geistes. Der Wind heisst Spiritualität.
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