Donnerstag, 17. März 2011

Die namenlosen Helden von Fukushima I

Im Atomkraftwerk Fukushima sind noch ganz wenige Spezialisten ununterbrochen daran, das Schlimmste zu verhindern. Mit Schutzanzug, Helm, Gasmaske und einem Geigerzähler ausgerüstet ist ihre Hauptaufgabe, die Meerwasserzufuhr in die Reaktoren zu gewährleisten. Die Arbeit ist anstrengend und kurz. Gemäss der «Sankei Shimbun» müssen sie sich nach jeweils 37 Minuten einem ausführlichen Strahlentest unterziehen.
Wenn die Strahlenbelastung zu hoch wird, werden sie für kurze Zeit evakuiert. Danach geht es weiter. Über die Anzahl Spezialisten vor Ort herrscht Unklarheit. Zahlreiche Medien schreiben von 50 verbliebenen Arbeitern. Die «Sankei Shimbun» schreibt weiter, dass sich am 15. März 73 Personen in kurzen Abständen abtauschten, weil die Strahlung im Kraftwerk mittlerweile zu hoch sei. Das Gesundheitsministerium kündigte gemäss derselben Zeitung an, dass ab dem 16. März die beschäftigten Arbeiter auf 181 Personen erhöht würden. Kurz nach dem Erdbeben waren noch 800 Arbeiter vor Ort.
Die Arbeit wird zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass seit dem 15. März der Kontrollraum beim Atomreaktor wegen der hohen Strahlenbelastung nicht mehr dauerhaft bedient werden kann. Die Lokalität wird jeweils nur kurz aufgesucht, danach muss wieder der Rückzug angetreten werden. Weil sich durch die Explosion Trümmerteile angehäuft haben, die womöglich radioaktiv verseucht sind, hat Tepco am 16. März begonnen, den Schutt mit Bulldozern wegzuräumen.

Namenlose Helden

Inzwischen hat das japanische Gesundheitsministerium den zulässigen Strahlenwert für die Arbeiter von 100 auf 250 Millisievert angehoben. Am Mittwoch war die Strahlenbelastung zeitweise auf 1000 Millisievert gestiegen. Die Arbeit ist lebensgefährlich. Bereits sind fünf Menschen durch die Explosionen gestorben, 22 weitere wurden verletzt und zwei weitere werden vermisst. Für Professor Edmund Lengfelder, Strahlenbiologe am Otto Hug Strahleninstitut in München, ist dies gemäss der «Bild» ein unhaltbarer Zustand. Er sei sich sicher, dass die verbliebenen Männer für ihren Einsatz sterben müssen.
Der Reaktorbetreiber Tepco hält sich zu den Personalien der Spezialisten zurück. Auch die Regierung spricht stets von den «Arbeitern». Die Informationen fliessen spärlich. Gegenüber der «Yomiuri Shimbun» sprach ein Angestellter des Atomkraftwerkes Fukushima I über seine schrecklichen Erlebnisse am Tag des Tsunamis. Inzwischen wurde er evakuiert. Es schaudere ihn heute noch, wenn er die Bilder der Explosion am Fernsehen sehe. Zu den 50 namenlosen Spezialisten konnte auch er nichts sagen.

«Die letzte Bastion»

Die «New York Times» hat die Arbeiter von Fukushima I bereits zu Helden erklärt. «Die letzte Bastion: 50 japanische Arbeiter», titelte die Zeitung. Reaktorbetreiber sagen, dass die Arbeitsmoral unter den Spezialisten hoch sei. Sie sei zu vergleichen mit der von Feuerwehrleuten oder Elitesoldaten. Der Katastrophenfall sei in den Kantinen ein ständiges Thema, heisst es in derselben Zeitung weiter. Doch auch die renommierte US-Zeitung konnte nichts Weiteres über das Rettungsteam herausfinden.
Die japanischen Medien haben den Bericht der «New York Times» sofort aufgenommen. «Lobpreisungen für die selbstaufopfernden 50 Arbeiter», titelte die «Sankei Shimbun» heute. Es ist Balsam auf die Wunden der Japaner. Es sei nun alle Energie dieser heldenhaften Arbeiter gefragt, um den Schaden und die Opfer auf ein Minimum zu reduzieren und damit den Super-GAU zu verhindern.

Die namenlosen Helden von Fukushima I, Tagesanzeiger.ch, 17.3.11

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