"Das Dasein ist immer schon herausgesetzt in die "Welt des Nichts", in die Welt als das radikal unvertraut Unheimliche, das nicht in Sinn aufhebbar ist. Die Rede von der "Weltoffenheit" des Menschen hat also nicht nur den fundamentalen Unterschied zur Umweltgebundenheit der Tiere, deren Lebensführung über Instinkte geregelt und festgelegt ist, im Auge. Sie verweist auch auf den Charakter der menschlichen Welthaftigkeit, nämlich deren pure Offenheit, die weder Sinn noch Grund erkennen lässt. In der Welt zu sein heisst, in diese "Welt als Welt" herausgesetzt zu sein - in die "Unheimlichkeit". Das Unheimliche des eigenen In-der-Welt-seins erschliesst - worauf schon der Ausdruck "es ist mir unheimlich" hinweist - die Angst; in ihr bricht die vertraute Welt zusammen. Was in der Angst bedrängt, ist die Offenheit der Welt und das eigene Geworfensein in sie: das pure Faktum, dass ich bin und zu sein habe, dass mir das eigene Sein zu vollziehen aufgegeben ist, ohne dass an die Stelle der tierischen Instinktsicherung nun eine andere - nämlich eine sich durchhaltende Sinnsicherung getreten wäre. So radikal ungesichert exisiteren zu müssen, macht Angst und wird in der Angst unabweisbar - das Leben unter solchen Bedingungen führen zu müssen, ist eine Last. Dass die Ungesichertheit nur die Kehrseite der menschlichen Freiheit darstellt, vermag weder an der Bedrohlichkeit der Grundsituation noch am Lastcharakter des Lebens etwas zu ändern." Holzhey (2001: 94).
Ich finde diese Erklärung hat aber doch etwas beruhigendes. Es ist nicht eine böswillige Laune der Natur, die uns Menschen uns so ängstigen lässt, sondern quasi ein "Nebenprodukt" der Evolution. Damit der Mensch in die ungeheuren Höhen seiner zivilisatroischen Errungenschaften aufsteigen konnte, brauchte er ein Gehirn, das sehr viel Platz für Neues anbietet. Es war ein entscheidender evolutionärer Entwicklungsschritt, die Instinktdeterminiertheit der Tiere zu überwinden. Nur so wurde seine kulturelle Entwicklung möglich! Die radikale Weltoffenheit kann uns zwar ängstigen, war aber auch Voraussetzung um die Menschenwelt entstehen zu lassen. Mit dem freien Willen ist es ja etwas ähnlich doppeldeutiges. Einerseits lässt der freie Wille das Böse zu, anderseits würden wir sonst aber auch Gutes nicht aus freiem Willen tun. Und welchen Wert hätte das Gute dann noch? - Aber weiter im Textauszug aus dem Buch von Alice Holzhey "Leiden am Dasein" (Passagen Verlag, Wien, 2001).
"Im "Verfallen" wende ich mich von der unverhüllten Erfahrung des eigenen "Unzuhause-seins" in der Welt ab. Wohin? Auf eine vertraut-heimische Welt zu, Sinnorientierung suchend, welche ermöglicht, das eigene Leben führen zu können. [...] Denn offensichtlich steht die Konfrontation mit dem eigenen Sein in der Angst primär im Widerspruch zur Aufgabe, sich alltäglich um das konkrete Gelingen der eigenen Lebensführung zu kümmern. [...] Das Sein in der Angst ist kein lebbarer Zustand. Der Mensch ist also primär - aufgrund seiner Bedürftigkeit nach einem Zuhause in der Welt - ein wünschendes Wesen. [...] Dieser existenziale Wunsch nach Vertrautheit und Sinnsicherung kann sich wohl in den faktischen Wünschen nach Nähe, Wärme und Geborgenheit manifestieren, geht aber nicht in ihnen auf, weil er ebenso in den gegensätzlichen Wünschen nach Abenteuer und Ferne, nach dem Bezwingen von Gefahren und dem Bestehen von Mutproben und so weiter, begegnet." (Holzhey, 2001: 94-96).
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Der unversöhnliche Widerspruch zwischen dem Wunsch des Menschen und der Verzweiflung an seinen Lebensbedingungen, die hoffnungslose Kluft zwischen der Frage des Menschen und dem Schweigen der Welt, das ist das Gefühl des Absurden!
Das Absurde ist aber als Gefühl nur ein Ausgangspunkt. Die Revolte ist die konkrete Willensäusserung. Denn der Weg führt vom Absurden nicht in den Nihilismus! Vielmehr gilt, dass obwohl "scheinbar negativ, da sie nichts erschafft, ist die Revolte dennoch zutiefst positiv, da sie offenbart, was im Menschen allezeit zu verteidigen ist." Einerseits weigert der Mensch sich seinem Sein zuzustimmen, anderseits stimmt er dem Wert des Menschen zu. Ricoeur über Camus
"Aber das wahre Leben ist im Innern dieser Zerrissenheit gegenwärtig. Es ist selbst diese Zerrissenheit. Was uns am Ende dieses langen Abenteuers der Revolte entgegenklingt, sind nicht optimistische Formeln, sondern Worte des Muts und des Geistes, die sogar Tugenden sind.
Keine Weisheit kann heute mehr geben wollen. Die Revolte stösst dauernd an das Böse, von wo aus sie nur einen neuen Anlauf nehmen kann. Auch bei seiner grössten Anstrengung kann der Mensch sich nur vornehmen, den Schmerz der Welt mengenmässig zu vermindern. Aber Leiden und Ungerechtigkeit werden bleiben und, wie begrenzt auch immer, nie aufhören, der Skandal zu sein. Das Leiden nutzt die Hoffnung und den Glauben ab. Es bleibt allein und ohne Erklärung. Die Revolte ist jedoch die Bewegung des Lebens selbst. Sie ist somit Liebe und Fruchtbarkeit, oder sie ist nichts. Am Ende dieser Finsternis ist ein Licht indes unvermeidlich, das wir schon ahnen und für das wir nur zu kämpfen haben, damit es sei. Über den Nihilismus hinaus bereiten wir alle in den Ruinen eine Renaissance vor. Doch nur wenige wissen es." aus Camus "Der Mensch in der Revolte"
Keine Weisheit kann heute mehr geben wollen. Die Revolte stösst dauernd an das Böse, von wo aus sie nur einen neuen Anlauf nehmen kann. Auch bei seiner grössten Anstrengung kann der Mensch sich nur vornehmen, den Schmerz der Welt mengenmässig zu vermindern. Aber Leiden und Ungerechtigkeit werden bleiben und, wie begrenzt auch immer, nie aufhören, der Skandal zu sein. Das Leiden nutzt die Hoffnung und den Glauben ab. Es bleibt allein und ohne Erklärung. Die Revolte ist jedoch die Bewegung des Lebens selbst. Sie ist somit Liebe und Fruchtbarkeit, oder sie ist nichts. Am Ende dieser Finsternis ist ein Licht indes unvermeidlich, das wir schon ahnen und für das wir nur zu kämpfen haben, damit es sei. Über den Nihilismus hinaus bereiten wir alle in den Ruinen eine Renaissance vor. Doch nur wenige wissen es." aus Camus "Der Mensch in der Revolte"
Und schliesslich aus "Der Mythos des Sisyphos" (ebenfalls von Camus):
"Für einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schöneres Schauspiel als die Intelligenz im Widerstreit mit einer ihn überschreitenden Wirklichkeit." Aber "kann ich mich wirklich mit dem Geist des Lebens, so wie es mir gegeben ist, abfinden?"
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