Das Sein zum Tode, das Sterben-Müssen jedes Menschen und die damit verbundene Angst sind wohl das Grundübel unserer Existenz. Im Zusammenhang mit psychisch krankhaften Formen des Seins zum Tode sind v.a. zwei Begriffe zentral: Nichtigkeit und Andersheit. Mit der Nichtigkeit unserer Existenz kommt zum Ausdruck, dass wir jederzeit sterben könnten. Es steht nicht in unserer Macht über den Tod zu bestimmen. Es ist der Tod, der alles einmal einreissen wird. Der Sadist hält diese Einsicht aber nicht aus. Er versucht durch Ermächtigung, durch Macht über andere Menschen und durch Zufügen von Leiden der eigenen Nichtigkeit zu entgehen. Insofern er Macht über andere Menschen hat und ihnen Leid zufügen kann, scheint er - auf Zeit - von seinem eigenen Leiden am Dasein befreit zu sein. Aber das Problem verschlimmert sich nur. Abgelenkt und fasziniert vom Leiden des Anderen findet er keine Zeit sich seinem eigenen Sterben-Müssen zu stellen. Jedes Leiden, das ihn selber trifft, willl er hundertfach anderen an Leid zufügen. Aber auch wenn er die Macht über das Leben und Sterben von Tausenden von Menschen hat, wie z.B. damals in den Nazi-KZs, entgeht er doch nicht seiner eigenen Sterblichkeit und seinem Leiden daran. Und wenn er einmal mit seinem Sadismus innehält, wird er feststellen, dass er sich in unsägliches Leiden, Schuld und Scham verstrickt hat. Der Weg aus diesen Verstrickungen geht wohl nur durch eine Reflexion auf sich selbst. Er muss lernen, wie es z.B. auch der Buddhismus lehrt, sich auf seinen eigenen Tod einzustimmen, die Vergänglichkeit unserer Welt zu akzeptieren. Die Antwort auf unsere Nichtigkeit sollte nicht im Streben nach Macht und im Quälen liegen, vielmehr in der Liebe! Ist die Liebe doch die Kraft, die alles heilen kann, und im mit-leiden mit anderen noch grösser wird. So zumindest die Überzeugung der Religionen.
Der zweite zentrale Begriff ist die Andersheit. In meinem Blog-Post vom 11. November '10 habe ich im Zusammenhang von Sadismus und Masochismus dazu längere Textauszüge aus dem Buch von Alice Holzhey 'Leiden am Dasein' präsentiert (vgl. Leiden am Dasein 2). Der Grundgedanke scheint mir wieder im Verständnis der Angst zu liegen. Der Andere kann, durch seine Andersheit, mich daran erinnern, dass ich in einer Welt lebe, die ich letztlich nicht verstehe, und die mir Angst macht. Was die Welt ist, wer die anderen im Letzten sind, und auch wer ich selber bin, bleiben mir schlussendlich immer ein ewiges Rätsel. Dennoch glaube ich, dass man der Andersheit des Anderen auch sehr positive Aspekte abgewinnen kann. Anstelle von existenzieller Vereinsamung steht der Dialog mit dem Du im Zentrum. Martin Buber hat das schön dargelegt:
"Das menschliche Leben hat seinen Absolutsheitssinn darin, dass es seine eigene Bedingtheit faktisch transzendiert, d.h. dass der Mensch das, dem er gegenübersteht und mit dem er in ein reales Verhältnis von Wesen zu Wesen treten kann, als nicht weniger wirklich sieht denn sich selbst, es nicht weniger ernst nimmt als sich selbst. Das menschliche Leben rührt an die Absolutheit durch seinen dialogischen Charakter, denn trotz seiner Einzigkeit kann der Mensch, wenn er auf seinen Grund taucht, nie ein Sein finden, das in sich ganz ist und als solches schon an das Absolute rührt; nicht durch ein Verhältnis zu einem Selbst, sondern nur durch ein Verhälnis zu einem anderen Selbst kann der Mensch ganz werden. Dieses andere Selbst mag ebenso begrenzt und bedingt sein wie er, im Miteinander wird Unbegrenztes und Unbedingtes erfahren. Die grosse Beziehung gibt es nur zwischen wirklichen Personen. Sie kann stark wie der Tod sein und die Brücke über den Abgrund der Weltangst von Selbstsein zu Selbstsein schlagen." aus: Das Problem des Menschen.
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