"Ich glaube an die Sonne,
auch wenn ich sie nicht sehe.
Ich glaube an die Liebe,
auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott,
auch wenn er schweigt."
Ueli Greminger, Pfarrer, St. Peter, Zürich
Streitgespräch über Gott und die Welt
(als Rollenspiel)
Gott ist frei und nicht an die Vorstellungen gebunden, die wir Menschen uns von ihm machen. Und doch können wir nicht anders, als uns Gott irgendwie vorzustellen. Machen wir uns bewusst, dass es da ganz verschiedene Gottesvorstellungen gibt. Darum dieses Rollenspiel: 5 Personen kommen miteinander ins Gespräch über Gott und die Welt. Die besondere Sicht jeder Person ist möglichst kurz und anschaulich beschrieben, so dass nach einem Textstudium von einer Viertelstunde jeder Spieler auf das Streitgespräch vorbereitet sein sollte.
Stellen wir uns 5 Personen vor, die miteinander über Gott und die Welt streiten!
Die 5 Positionen:
(Sie sind konstruiert und kommen in der Praxis meist irgendwie vermischt vor)
1. Die religiös-konservative Sicht.
2. Der Protest
3. Die naturreligiöse Sicht
4. Die esoterische Sicht
5. Die modern-religiöse Sicht.
1. Die religiös-konservative Sicht von Gott und der Welt
Die Welt und die Mensche sind von Gott erschaffen. Darum sind sie eigentlich gut. In der ersten Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel heisst es zudem, was Gott erschaffen hat, regelmässig „Und siehe es war gut“.
Beschädigt allerdings wird diese gute Schöpfung durch den Sündenfall, der ein Teil der zweiten Schöpfungsgeschichte ist. Weil Adam und Eva die ihnen von Gott gesetzte Grenze überschreiten - von der verbotenen Frucht essen - greift Gott durch und vertreibt die beiden aus dem Paradies.
Was immer an Bösem passiert auf dieser Welt (Ungerechtigkeit, Gewalt, Naturkatastrophen), es liegt immer daran, dass die Menschen die ihnen von Gott gesetzte Grenze überschreiten.
Weil die Menschen dauernd die ihnen vom Schöpfer gsetzten Grenzen überschreiten, muss dieser immer wieder korrigierend eingreifen.
Gott aber hat mit der Welt und den Menschen langfristig einen Plan. Er will die Welt und die Menschen zur Vollendung führen. Gott nimmt auch schmerzhafte Prozesse, z.B. Naturkatastrophen, Ungerechitkeit, Krieg in Kauf, um seinen Plan zum Ziel zu führen. Vom Ziel her gedacht sind die schmerzhaften Prozesse als Wehen der Endzeit zu begreifen. Jedes Leid, jedes Unglück, jedes Erdbeben will uns Menschen eine Mahnung zur Umkehr sein.
Das Neue Testament bezeugt, wie Jesus mit seinem Leben, seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung den Bann des Bösen durchbrochen hat, so dass wir Menschen durch ihn zur Vergebung und zum Gottvertrauen kommen.
Am Ende wartet ein Platz bei Gott auf uns. Aber bis es soweit ist, haben wir uns auf der Welt zu bewähren, Gottes Willen immer besser zu erfüllen, am Bekenntnis zu Jesus Christus festzuhalten und Nächstenliebe zu üben.
2. Der Protest
Bei all der Ungerechtigkeit, bei all dem Unglück , das auf dieser Welt geschieht, frage ich mich, wie das der liebe und gerechte Gott zulassen kann. Oder ist Gott gar nicht lieb und gerecht oder gibt es ihn gar nicht? Wenn unschuldige Kinder sterben, wie kann da Gott einfach zuschauen und nicht eingreifen?
„Der Mensch denkt, Gott lenkt“ heisst es. Aber seien wir doch ehrlich: Soll ich etwa an einen Gott glauben, der die Welt so ungerecht, lieblos und nachlässig regiert? Dann all die Geschichten von Adam und Eva zum Beispiel oder vom Sündenfall! Die soll einer glauben. Die sind doch nur gut, um den Menschen ein schlechtes Gewissen einzuhämmern. Schuldig, sündhaft soll ich mich fühlen, klein und elend, damit Gottes Glanz umso heller leuchtet. Schuldig sein soll ich - jedenfalls irgendwie mitschuldig am ganzen Elend der Welt. Aber das bin ich nicht.
Nein - ich will selber denken, selber über mein Leben und meine Zukunft entscheiden.
3. Die naturreligiöse Sicht
Ich halte mich an die Natur. Sie ist unser Lebensgrund. Der Mensch sollte sich in die Natur einfügen, dann sähe die Welt besser aus. Die Natur ist doch Gottes Schöpfung. Warum dann nicht Gott in der Natur entdecken?
Mir gefällt der Philosoph Jean-Jaques Rousseau, der die Natur untersucht und wunderbar beschrieben hat. Er verteidigte die Natur in einem Brief an Voltaire:
„Alles in der Natur ist gut, soweit es aus den Händen des Schöpfers hervor-geht. Alles dagegen wird schlecht unter den Händen des Menschen.“
Für mich ist es also nicht Gott, der in das Weltgeschehen direkt eingreift, sondern indirekt über die Natur. Wenn die Menschen die von der Natur gesetzten Grenzen überschreiten, dann schlägt die Natur zurück und verweist die Menschen in ihrer Grenzen. Im Fall der Naturkatastrophe heisst es dann nicht: „Gott greift ein“ sondern „Die Natur schlägt zurück.“
Ich erlebe Gott in der Natur, im Wald, auf einer Bergwanderung, bei einem Sonnenuntergang. Die Natur ist gut und schön. Es sind die Menschen, die die Natur zerstören.
Freiheit bedeutet, dass sich der Mensch in die Natur einfügt, sich mit der Natur anfreundet. Sünde bedeutet: Gegen die Natur handeln, die Natur unterdrücken, die Natur zerstören.
4. Die esoterische Sicht
Gott ist für mich eine unsichtbare Kraft. Der ganze Kosmos ist durchdrungen von dieser göttlichen Kraft. Alle Dinge auf dieser Welt haben einen geheimnisvollen Zusammenhang. Nichts ist zufällig oder ohne Sinn. Nur sehen wir Menschen den Zusammenhang halt nicht immer. Aber ich habe schliesslich mein Leben geschenkt bekommen, um zu lernen und all die gehemnissvollen Zusammenhänge zu verstehen.
Von der Mutter Erde kann ich lernen, von den Sternen, von alten religiösen Schriften, von der chinesischen Medizin. Von der indischen Religion lernen wir, dass unsere Seele nach unserem Tod wieder zur Welt kommt (Reinkarnation) und so eine Chance bekommt, noch reiner und vollkommener zu werden.
Alles, was meinem Leben passiert, hat seinen Sinn. Nichts ist Zufall. Auch wenn das allerschlimmste geschähe, es hätte seinen Sinn. Ich müsste allerdings bereit sein, loszulassen und anzunehmen. Dazu ist es natürlich entscheidend, dass ich vorbereitet bin.
Ich muss die richtige Haltung, die Haltung des Fliessenlassens der göttlichen Energie einüben. Dazu gehört das positive Denken und das Loslassen von schlechten Gefühlen. Wenn es mir gelingt, die göttlichen Energien durch meinen Körper und meinen Geist fliessen zu lassen, dann bin ich auf dem rechten Weg. Wenn es da nur keinen Stau gibt. Der kann nämlich seelische und sogar körperliche Krankheiten auslösen.
5. Die modern-religiöse Sicht
Ich finde, die Christen sollten das moderne Weltbild und das moderne Leben akzeptieren:
- Dass die Welt nicht in 7 Tagen entstanden, sondern über Jahrmillionen.
- Dass der Mensch mit dem Affen verwandt ist.
- Dass man die Existenz von Gott wissenschaftlich nicht hat beweisen können.
Die moderne Wissenschaft hat den mittelalterlichen, allmächtigen Gott verdrängt und auf dem leeren Thron seinen Platz eingenommen. War es nicht ein grosser Fehler, dass die Kirchen das mittelalterliche Gottes- und Weltverständnis verteidigten. Damit haben sich die Kirchen unglaubwürdig gemacht. Anstatt in aller Offenheit und Ehrlichkeit das moderne naturwissenschaftliche Weltbild zu akzeptieren.
Gemäss dem naturwissenschaftlichen Weltbild hat die Natur einen hohen Grad von Selbstorganisation und dazu gehört das Leben des Menschen mit all seinen Möglichkeiten und Grenzen, dazu gehört die Lebensfreude und dazu gehört auch das Leid, dazu gehören auch die Naturkatastrophen.
Das Leben in der Welt ist von der Natur aus nicht einfach gut oder schlecht, es ist beides. So ist auch der Mensch nicht einfach gut oder schlecht. Er ist von Natur aus zu beidem fähig. Wenn ein Tsunami aufbricht, dann ist das für die Welt, für das Weltall, für den Kosmos, eine kleine Verschiebung. Für die Menschen eine gewaltige Naturkatastrophe und für die Betroffenen eine menschliche Katastrophe. Die Natur selber nimmt keine Rücksicht auf den einzelnen Menschen. Die Natur ist total unpersönlich und ohne Gnade. Sie kennt letztlich nur das Gesetz des Stärkeren.
Der Astrophysiker Arnold Benz beschreibt die Zukunft der Welt so: „Das Sonnensystem wird sich infolge des endlichen Energievorrats der Sonne drastisch ändern, und die Erde wird nicht mehr im heutigen Sinn bewohnbar sein, zunächst zu heiss, später zu kalt, für jede uns bekannte Form von Leben. Die Sonne wird erkalten, die Erde wird sich im Raum verlieren - Lebewesen, Planeten, Sterne, Galaxien, das Universum - alles steht auf Zerfall.“
Gott greift nicht direkt von aussen in das Leben ein, sondern durch Menschen, die sich mit ihm verbinden. Gott ist die positive Kraft auf dieser Welt, aber nur wenn sich die Menschen darauf einlassen.
aus dem Bolg von Ueli Greminger:
Fragmente einer konfirmandentauglichen Theologie
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