Samstag, 25. Juni 2011

Universaler Sufismus

Sufismus ist die mystische Strömung des Islams. Der Universale Sufismus von Hazrat Inayat Khan hat zum Ziel die Weisheit des Sufismus in den Westen zu bringen. Eindrücklichste Gestalt hat er im Universellen Gottesdienst gefunden. Im Folgenden wollen wir uns v.a. auf diesen Universellen Gottesdienst und die mystische Philosophie des Sufismus konzentrieren. Die esoterische Schule scheint uns dann aber doch als zu unglaubwürdig.
Um Verständnis und Harmonie zwischen den Religionen zu fördern hat Hazrat Inayat Kahn den Universellen Gottesdienst geschaffen. Er vereint in einem inspirierenden Ritual alle Religionen. Die Weisheit, dass alle grossen Religionen dieser Welt im Kern eine Einheit bilden, wird so konkret erlebbar und symbolisch dargestellt. Religionen haben unterschiedliche Erscheinungsformen, bergen aber die gleiche essentielle Wahrheit in sich - Religion des Herzens zu sein. Das Ritual symbolisiert, wie das göttliche Licht durch all die verschiedenen Religionen hindurch die Menschheit erreicht!
Das ganze Universum ist die Art und Weise Gottes sich auszudrücken. Die Anerkennung der Einheit Gottes liegt im Zentrum des mystischen Gedankenguts der Sufi. Gott ist die Wahrheit, und Gott ist All-Ein, Allgegenwärtig und Alldurchdringend. Nur die Identifikation mit unserer begrenzten Persönlichkeit hindert uns daran, uns in unserem Bewusstsein mit Gott zu vereinigen (unio mystica). Die Verstandes- und Intellektfeindlichkeit der Mystik teilen wir jedoch nicht. Für den Musiker Hazrat Inayat Kahn stellen der Klang und die Harmonie die höchste Form der Manifestation dar. Das Leben wird als eine Reise von der Unvollkommenheit zur Vollkommenheit, vom Unwirklichen zur Wirklichkeit gesehen. Die Sufi-Lehre soll zur Erweckung des Bewusstseins der Göttlichkeit der menschlichen Seele dienen. Die Botschaft von Liebe, Harmonie und Schönheit ist die göttliche Botschaft und die Antwort auf den Ruf der Seele.
Während die Naturwissenschaften mit ständig verfeinerten Analysemethoden immer genauere Beobachtung hervorbringen, ist die Mystik die ganzheitliche, innere Schau der Natur der Dinge und der Zusammenhänge der Schöpfung. Im Gegensatz zu den materialistisch-kausal-deterministischen Theorien steht die Schöpfung als untrennbar verbundene, dynamische Ganzheit. Leitend ist das Prinzip, dass nichts ruht, sondern alles in Bewegung ist und schwingt. Es ist in Wirklichkeit der allumfassende, göttliche Geist, in dem wir leben, uns bewegen und in dem unser Wesen seine Heimat hat.
"Wie Eis und Wasser zwei verschiedene Dinge sind und gleichzeitig in ihrer wahren Natur ein und dasselbe, so ist es auch mit Geist und Materie. Wasser wird unter bestimmten Umständen zu Eis, und wenn das Eis schmilzt, wird es wieder zu Wasser." Durch Schwingung wird der Geist zunächst hörbar, dann sichtbar und endlich berührbar. "Manifestation ist das Ausatmen Gottes, - Vernichtung oder das Ende der Welt - ist das Absorbieren, das Einatmen Gottes." Über die "andere Welt" hat jeder Prophet zu seinen Anhängern in der Sprache gesprochen, in der sie ihn verstehen konnten." Wobei "nicht nur der Mensch, sondern die ganze Schöpfung nach dem Bild Gottes geschaffen wurde."
Auf dem Pfad der Verwirklichung sieht Hazrat Inayat Khan fünf Grundbedürfnisse: den Wunsch zu leben, den Wunsch nach Macht, den Wunsch zu wissen, den Wunsch nach Glück und schliesslich den Wunsch nach Frieden. Diese elementaren Grundbedürfnisse sind der Motor hinter den meisten irdischen Unternehmungen. Indem wir auf dem Pfad der Verwirklichung fortschreiten, können wir Stufe um Stufe nach höhren Idealen streben, bis zur endgültigen inneren Verwirklichung. Dabei ist ein Gleichgewicht zwischen Tätigkeiten in der äusseren und der inneren Welt wichtig. Letzlich ist aber nur die Rückkehr der Seele zu Gott im Leben nach dem Tode wichtig.
Für die universalen Sufis ist ein sich entwickelndes Gottesideal wichtig. Da die Wirklichkeit Gottes jenseits aller menschlichen Vorstellung ist, bleibt es für unser Denken immer ein Mysterium. Dennoch braucht der Mensch ein Bild von Gott um eine Beziehung zu ihm zu entwickeln. Das Konzept des Gottesideals verlangt, dass jeder sich ein Idealbild von Gott schafft. Es ist das erhebenste und inspirierendste Bild, das sich der Einzelne, auf der Basis seines Verständnisses vom Schöpfungsprozess, machen kann. Dieses Gottesideal ist nicht die Wirklichkeit Gottes, es ist eine menschliche Vorstellung und somit von Mensch zu Mensch verschieden. Aber es entwickelt sich im Laufe der Zeit mit dem sich entwickelnden Verständnis jedes Menschen. Das sich entwickelnde Gottesideal ist wie eine Leiter, die den Mensch Schritt für Schritt Gott immer näher bringt.
Der Sufi strebt nach Meisterschaft und Ausgeglichenheit in seinem Leben. Stolz und Überheblichkeit schmelzen dahin, wenn wir ein Gefühl der Dankbarkeit für all die wunderbaren Gaben, die wir in unserem Leben empfangen haben, entwickeln. Die Hingabe an Gott führt zu Bescheidenheit und Demut. Als Ziel der moralischen Entwicklung sollten wir die Fähigkeit zur Vergebung, zur Sympathie und zur Güte entwickeln.
Harmonie bedeutet Schönheit. Der Mensch sehnt sich nach dieser Schönheit und versucht deshalb ständig, Harmonie zu schaffen. Die gesamte Schöpfung tendiert zur Harmonie und ist darauf aufgebaut. "Der Hintergrund der gesamten Schöpfung und ihr ganzes Geheimnis ist Harmonie." Diese Harmonie wird uns durch die Schönheit der Natur erfahrbar. Der Gesang der Vögel und das Rauschen der Wälder ist wie eine göttliche Musik. Das ganze Universum ist wie eine Symphonie.
Aber wie ist es möglich, im Einklang mit allem zu leben, wenn wir fortwährend von unseren Mitmenschen enttäuscht werden und ständig gegen Widerstände kämpfen müssen? - Wir sollten lernen einen Schritt weiter zu gehen. In jedem Menschen auch das Gute versuchen zu erkennen, lernen jeden Menschen zu mögen, und Mitleid mit ihm zu haben. Schliesslich spielt die Musik immer eine besondere Rolle bei den Sufis. Musik berührt unser innerstes Wesen.
Disharmonie ist Krankheit. Ist der Rhythmus einmal gestört, so muss er langsam, mit Weisheit und Geduld und mit allergrösster Zuwendung widerhergestellt werden. Wichtig sind positive Vorstellungen und Gedanken. Wirklicher Glaube ist die beste Medizin. Glauben ohne Beweise ist natürlich schwierig. Aber: "Es gilt ein Schloss in den Wolken zu bauen; dieses Schloss wird zum Paradies." Der Höhepunkt des Glaubens ist das Vertrauen. Es bewirkt eine innere Überzeugung, dass das, was wir glauben, auch eintreten wird, und dies ist sehr mächtig. Und schliesslich ist keine Medizin wirkungsvoller als der Frieden. "Wahrlich, gesegnet ist das Herz, das den Göttlichen Frieden findet." Wir sollten versuchen unsere Gedanken auf freundliche und liebevolle Gedanken und Gefühle zu konzentrieren. Denn der Geist ist schöpferisch. Gedanken und Gefühle, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken, wachsen, werden stärker und führen zu weiteren positiven Gefühlen und Handlungen. Deswegen gilt auch, "O Friedensstifter, ehe du versuchst Frieden in der Welt zu stiften, schaffe erst Frieden in dir selbst." Nur wenn wir Frieden in unserem Herzen schaffen, öffnen wir uns der Erfahrung der Einheit und Vollkommenheit Gottes. Die holistische Philosophie inspiriert viele spirituelle Strömungen innerhalb der New Age Bewegung. All dies trägt zur grösseren Einheit und Verbrüderung der Menschen bei.

Universaler Sufismus - Die Sufibotschaft von Hazrat Inayat Khan, von H.J. Witteveen, Verlag Heilbron, 1998
  
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Schwer ist es, aus der Tierheit Dunkel
den Weg zum Licht des Menschentums zu finden.
Wandle so als Mensch auf dieser Erde,
dass die Menschlichkeit auch sichtbar werde.
(Lehre des Buddha, Suhrillekha 59)

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