Samstag, 13. Juni 2009

Glaube: Pro und Contra

William R. Murry gibt in seinem Buch "Reason and Reverence - Religious Humanism for the 21st Century" (Skinner House, Boston, 2007, Chapter 1&2) einen kritischen Überblick über die wichtigsten Dimensionen des Glaubens.

Argumente die gegen den Glauben sprechen sind v.a. deren vier:
- Das moralische Problem: Wieso lässt ein Gott, der allmächtig und allgütig sein soll, es zu, dass unschuldige Menschen leiden und sterben müssen, sowie weitere schreckliche Ungerechtigkeiten? - Der gläubige Mensch erwiedert, dass wir halt lernen müssen den Tod zu akzeptieren, und dass wir lieben müssen, was wir nicht verstehen. Jedoch sollten wir uns gewiss sein, dass das Leiden nicht das Resultat von bösen Taten durch einen strafenden Gott ist. Gottes Wege sind jenseits dessen, was wir verstehen können. Wir sollten lernen Gottes Weg zu akzeptieren, auch wenn wir sie nicht verstehen.
- Das erkenntnistheoretische Problem: Wahrheit wird durch die wissenschaftlich-empirische Methode erkannt, nicht durch Offenbarung, Intuition oder übersinnliche Wahrnehmung. Wir haben keine übersinnliche Wahrnehmung der Existenz einer anderen Welt. Deswegen haben wir keine Gründe an ein übernatürliches Wesen oder eine übernatürliche Welt zu glauben. - Aber nur weil wir das Göttliche mit unseren Sinneswahrnehmungen nicht direkt wahrnehmen können, spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass es eine göttliche Welt trotzdem geben könnte!
- Das psychologische Problem: Wie bereits Freud hervorgehoben hat, sind die traditionellen Religionen nur das Resultat einer Projektion. Die Situation der Abhängigkeit des Kindes wird auf die kosmische Ordnung projeziert, zusammen mit einem Gott-Vater der sich um seine Kinder kümmert. - Das Christentum nimmt sehr wohl das Bild eines Vatergottes auf. Aber warum soll die Analogie nicht stimmen, dass nicht nur unsere weltlichen Eltern sich um unser kindliches Wohl sorgen, sondern auch ein himmlischer Vater sich Sorgen macht um seine Geschöpfe?
Ludwig Feuerbach spitzt die Freud-These weiter zu, nämlich dass die Gottesidee eine Projektion der besten Qualitäten, nobelsten Werte und höchsten Ideale der Menschheit ist. - Aber wenn wir akzeptieren, dass Glauben spekulativ weitersucht, als was es das Wissen kann, stellt sich die Frage, woher der Glaube seine Inspirationen nehmen soll? Also warum nicht das Idealbild eines Gottes entwerfen und sich Gedanken über dessen Wahrscheinlichkeit machen?
- Das soziopolitische Problem: Religionen sind mächtige kulturelle Kräfte. Autoritäre Religionen machen Menschen machtlos. Es ist die autoritäre Religion, die ihnen - mit letzter Gewissheit - sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. - In diesem Kritikpunkt gebe ich Murry recht. Aber Religion muss nicht zwingend autoritär sein. Sie kann auch freiheitlich und demokratisch sein. Als Beispiel sei nur Unitarian Universalism genannt.

Nun noch ein paar Gedanken, was zur religiösen Dimension gehört. Vier Komponenten sind für einen lebendigen Glauben entscheidend:
- Eine Kosmologie: Eine Geschichte, die uns sagt wer wir sind und warum wir hier sind.
- Die spirituelle Dimension: Die Überzeugung, dass das Leben eine tiefere Bedeutung haben kann, als die alltägliche Existenz.
- Eine Ethik: Eine Begründung, warum wir verantwortlich und mit Mitgefühl leben sollten. Die Eckpfeiler sind Liebe, Gleichheit und Gerechtigkeit. Der Sinn des Lebens wird dabei erst gefunden, in etwas, das einen übersteigt und nicht nur aus Selbstinteresse verfolgt wird. Es ist die Suche nach einer Tätigkeit, welche die Welt und das Leben bereichert.
- Und schliesslich sollten die gemeinsamen Werte und Überzeugungen auch öffentlich gelebt werden. Eine stützende und inspirierende Gemeinschaft ist wichtig. Um eine grössere Ordnung in den Lauf des Lebens zu bringen, können auch besondere Übergänge im Leben besonders gefeiert werden (Geburt, Mündigkeit, Heirat, Tod). N.B. Zu den beiden wichtigsten christlichen Festen im Jahreskreis: Weihnachten steht für eine Zeit in der das neue Leben gefeiert wird und die Möglichkeit, dass sich "göttliche" Ideale, wie Liebe und Gerechtigkeit, sich in jederman realisieren werden und nicht nur in einer Person. Ostern steht für die Möglichkeit der persönlichen Erneuerung und die Freude an der Schönheit der Natur.
Schliesslich zeichnet sich das Spirituelle durch eine Haltung der Dankbarkeit und des Erstaunens angesichts des Mysteriums des Lebens aus. Das Allumfassende, die Einheit von allem das da ist, mystische Union ist die Antwort der Religion auf das Problem unserer Existenz.

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