Samstag, 13. Juni 2009

Glaube und Wissen

In den letzten beiden Postings habe ich für mehr moralisches Handeln anstelle von elaborierten Dogmen plädiert. Aber welche Rolle kommt Glaubensüberzeugungen zu? Kann man durch Anstrengungen im Wissen zu einem wahren Glauben vordringen? - Religiöse Humanisten und Atheisten sind der Meinung, dass die Grenzen unseres wissenschaftlichen Wissens auch schon die Grenzen unserer vernünftigen Überzeugungen sind. Sie sind gegen Übernatürliches und bevorzugen das Natürliche/die Natur. Einverstanden bin ich damit, dass sich Glaube im letzten nicht vollkommen rational begründen lässt. Man muss immer einen "Sprung" wagen, um vom Wissen zum Glauben zu gelangen. Glaube zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht sicher ist, weil er den Bestand an sicherem Wissen überschreitet. Glaube versucht in die Sphären des Mysteriums dieser Welt weiter vorzudringen als es die Wissenschaft mit ihrer empirischen Methode kann. Damit verlässt er das Feld der Wissenschaft, kann dafür aber versuchen, spekulativ in die "grössere Wirklichkeit" vorzudringen. Glaube beruht auf der Annahme, dass es neben der sichtbaren und für uns wahrnehmbaren Welt noch "mehr" gibt. Die Welt des Göttlichen und Transzendenten.

Meistens halten die Menschen es aber nicht aus, keine letzte Gewissheit in den letzten Fragen zu haben. Deswegen erfinden sie "göttliche Offenbarungen" in Form von unfehlbaren, heiligen Schriften. Oder letzte Einblicke in das Göttliche auf dem Weg von "übersinnlichen Erleuchtungen". Beides scheint aber vor dem Hintergrund des modernen wissenschaftlichen Weltbildes mehr als nur zweifelhaft zu sein! Aber wie Kant es so schön sagt, ist die Aufklärung der Ausgang aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit. D.h. dass es halt so schön bequem und beruhigend ist, an "letzte Offenbarungen" zu glauben, und Wissen und Wissenschaft umgekehrt mit soviel Anstrengungen verbunden sind. Also bleibt auch heute noch der Grossteil der Leute lieber bei einem mythischen Weltbild! Wir dürfen aber nicht vergessen, dass uns das moderne Wissen etwas sehr klar zu sagen hat, nämlich woran wir nicht glauben sollten!

Aber die moderne Wissenschaft lässt auch heute weiterhin viel Platz offen für Spekulationen über das Mysterium dieser Welt. Das moderne Weltbild lässt es nach wie vor zu, zu glauben, dass die Evolution letzlich ein von Gott gesteuerter Prozess ist und dass die religiösen Schriften, wenn auch nicht direkt das Ergebnis göttlicher Eingebung, sie trotzdem eine Quelle der Inspiration sein können. Dies ist der Unterschied zwischen einer "ersten Naivität", bei der man die göttlichen Mythen für bare Münze nimmt, und einer "zweiten Naivität", bei der man sich des menschlichen Ursprungs der Mythen bewusst ist. Aber man ist immer noch der Überzeugung, dass diese göttlichen Mythen das religiöse Leben bereichern können, und dass das "Göttliche" irgendwie "hindurchscheint". Die Christenheit hat sich mit der Dreifaltigkeit Gottes wohl nicht gerade eine Freude gemacht. Aber der Mythos vom sterbenden Gott, der dann nach drei Tagen doch wieder aufersteht, bringt sehr viel zum Ausdruck. Der qualvolle, öffentliche Tod von Jesus, dem Gottessohn, am Kreuz ist Zeichen tiefster Verlorenheit. Um so grösser ist dann die Freude über seine Auferstehung!
Schliesslich sei noch das Bonmot von Kant erwähnt (aus der 'Kritik der praktischen Vernunft'): "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."

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