Mittwoch, 12. Januar 2011

Entwicklungsökonomie - des Teufels?

"Die Chicago Boys standen während ihrer Tätigkeit für Pinochet mit Angehörigen der Chicagoer Schule in engem Austausch. So statteten neben Milton Friedman auch Friedrich August von Hayek und Arnold Harberger Besuche ab, die in der chilenischen Presse und international starke Resonanz fanden. Hayek wurde Ehrenpräsident des Centro de Estudios Públicos, und Friedman trat mit einer Vorlesung im staatlich kontrollierten Fernsehen auf. 1981 fand ein regionales Treffen der Mont Pelerin Society in Viña del Mar statt. Hayek rechtfertigte bei dieser Gelegenheit in einem umstrittenen Interview mit dem El Mercurio die Etablierung einer Diktatur, wenn diese vorübergehend zur Durchsetzung wirtschaftlicher Freiheit als Grundlage des Liberalismus nötig sei. Gerechtfertigt sei unter Umständen auch das Opfer individuellen Lebens, um das Überleben der Mehrheit zu sichern. „Die einzig gültigen moralischen Maßstäbe für die ‚Kalkulation des Lebens‘ können […] nur das Privateigentum und der Vertrag sein.“,
aus: "Chicago Boys", Wikipedia.

Wenn wir uns die Entwicklung der Menschheit anschauen, dann ist diese reich an brutalen Kämpfen und gewaltsamem Tod. Für einen Anhänger der "Freiheit für Alle" ist aber natürlich so etwas, wie das obige Zitat, dass man bereit ist für den Wohlstand von ein paaren, das Leben von einigen zu opfern, mehr als nur blanker Zynismus. Es ist eine Form von Satanismus! Man ist bereit Menschenleben zu opfern im Namen von mehr Luxus für die Reichen und Regierenden, in diesem Fall im Chile unter der Diktatur von Pinochet. Chile ist heute demokratisch geworden und die Wirtschaft hat nicht darunter gelitten!
Die Frage, ob Diktaturen sich im Namen der Entwicklung rechtfertigen lassen, ist eine alte. Wenn wir weise, aufgeklärte und wohlwollende Regenten haben, kann eine Entwicklungsdiktatur eine Wohltat sein. Ist man so doch nicht immer von den Launen des Pöbels abhängig. Ein noch zu unterentwickeltes Land kann einfach noch nicht über eine genügend grosse Bildung der breiten Masse verfügen, so dass die Demokratie noch nicht richtig funktionieren kann. Dabei werden wohlwollende Entwicklungsdiktaturen es aber sicher nicht so weit kommen lassen, dass Menschen geopfert werden. Ein anderes ist es mit rechtsgerichteten Diktaturen. In ihnen regiert ein grausamer Diktator, der seine Machtbefugnis nicht im Namen der Entwicklung des Volkes legitimieren kann, sondern der sich mit grausamer Gewalt an seiner Macht hält. Es ist kaum wahrscheinlich, dass eine solche Diktatur nachhaltig zum Wohl und der Entwicklung der Bevölkerung beiträgt. Sind dem Diktator doch die Privilegien für sich und seine Entourage alleine wichtig. Hier ist keine versteckte "unsichtbare Hand" mehr am Werk, die alles zum Besseren wendet.
Das Konzept der "unsichtbaren Hand" stammt von Adam Smith, dem Vater der modernen Ökonomie. Darin ist das Wirken des Marktes gesehen, der längerfristig alles zum Besten wenden soll. Im Zentrum der Ökonomie von Smith stand die Einsicht, dass der Bäcker am Morgen in der Früh seine Brötchen nicht aus Menschenliebe bäckt, sondern weil er damit Geld verdienen kann. Dies soll auch so sein. Aber bei Smith war die Ökonomie in eine Moral allgemeinen Wohlwollens eingebettet. Damit ist seine "Theories of Moral Sentiments" gemeint. Diese ist getragen von universeller Sympathie, dem Vermögen sich in die Lage eines anderen zu versetzen - Mitgefühl! Der Markt ist dabei nicht die höchste Ordnung, vielmehr ist er Teil der von Gott geschaffenen Weltordnung. Hier haben wir wohl einen entscheidenden Unterschied im Vergleich mit der Ansicht Hayeks, dass alleine "der Vertrag und das Eigentum" heilig sind! Die Smithsche Moral ist hingegen getragen von drei Instanzen: der Billigung und Missbilligung durch die Mitmenschen, dem Gewissen als unparteiischem Beobachter und schliesslich, das Gericht Gottes als höchste und letzte Appellationsinstanz. So viel zum philosophischen Hintergrund des Problems sozialer Ordnung.
Um auf das Problem von Demokratie oder Diktatur im Zusammenhang mit Entwicklung zurückzukommen, muss angführt werden, dass es sehr wohl Demokratie in noch wenig entwickelten Ländern geben kann. Indien ist das Beispiel Nummer eins. Es ist ein Land, dass eine Regierung hat, die sich vor einer Milliarde Menschen verantworten muss. Einer der positiven Effekte dieser Kontrolle ist, dass es in Indien, seit es eine Demokratie geworden ist, kaum mehr Hungersnöte gegeben hat. In anderen, diktatorischen Ländern der 3. Welt sieht das anders aus. Schliesslich sei auch noch das Beispiel der Schweiz angeführt. Ein Land, dass nicht nur eine indirekte Demokratie hat, sondern schon das ganze 20. Jahrhundert hindurch eine direkte Demokratie hatte. In diesem Jahrhundert hat die Schweiz es geschaft - mit direkter Demokratie - zu einem der reichsten Länder der Welt zu werden. Gerechtigkeit und Menschenwürde sind keine Luxusgüter und Entwicklungshindernisse, wie es die rechts gerichteten Ideologen à la Hayek meinen. Wie kann man sich ihre Menschenverachtung erklären? Extremer Elitarismus und die Bereitschaft mit allen Kräften zusammenzuarbeiten, sofern es nur ihrer eigenen Profilierung und ihrem Wohlergehen nützt, sind wohl der Schlüssel zum Verständnis.
Die Pfade des Guten können manchmal verschlungen sein, aber längerfristig setzt sich das Gute doch durch. Dies zeigt auch ein Blick zurück ins 20. Jahrhundert. Die beiden grössten und gefährlichsten Diktaturen - das nationalsozialistische Deutschland und die kommunistische Sowjetunion - sind im Strudel der Geschichte kläglich untergegangen. Freiheit, Menschenrechte und Demokratie sind die Sieger der Geschichte! Es ist noch nicht gut, aber es wird besser. In diesem Strom fliesst das Göttliche wohl am stärksten!
Wen diese Zusammenhänge genauer interessieren, der sei auf meine Dissertation verwiesen. Darin wird dargelegt, wie in der Evolution die Moral entstand und wie sich gerechtere soziale Ordnungen im globalen Wettbewerb durchsetzen. Es steckt ein rafinierter Mechanismus dahinter, der dafür sorgt, dass erfolgreiche Kooperation in Konkurrenzsituationen sich längerfristig durchsetzt, dank grösserem Vertrauen, besserer Motivation und einem grösseren Engagement fürs Gute! In meinem Buch "A Reformed European Model - Social Capital as Competitive Advantage" wird dafür auch empirische Evidenz angeführt.

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