Ein Trauma beginnt mit Gewalterfahrungen, die mit Angst, Hilflosigkeit und Horror verbunden sind. Aber auch Rachegefühle entstehen so.
Rache nach Aristoteles: Rache resultiert aus einer gravierenden, ungerechtfertigten Kränkung, welche Ärger und den Impuls, sich zu rächen auslöst, dessen Ausagieren zu einer inneren Befriedigung führt. Wichtig ist die Wiederherstellung von Gerechtigkeit, Sicherheit, Selbstwert, Bestrafung des Täters, und schliessich der Schutz zukünftiger Opfer. Das Hauptproblem ist, dass Rachegefühle mit aggressiven und destruktiven Tendenzen verknüpft sind. Ärger hingegen kann viele verschiedene Ausdrucksformen haben und auch in konstruktivem Verhalten enden. Für die Bewältigung von Rachegefühlen und zur Entstehung von Vergebung sind schliesslich pro-soziale Einstellungen gegenüber dem Täter notwendig. Nihilisten stellen aber gleich die Frage, ob Vergebung wirklich ein Zeichen moralischer Tugend ist oder nicht vielmehr als ein Zeichen der Schwäche zu verstehen ist?
In dieser Sicht wird vergessen, dass ohne das Eingestehen der Schuld auch nicht vergeben werden kann. Deutliche Demutsbezeugungen des um Vergebung bittenden Täters sind oft notwendig. Dies ist nicht leicht, und häufig versuchen Täter auch einfach nur ein stilles Verzeihen zu erzwingen. Dies ist aber nicht der Weg der Vergebung. Versöhnung braucht eine Begegnung mit dem Ex-Widersacher. Die Beziehung muss von Grund auf erneuert werden. Aber das Böse wird nicht einfach vergessen. Denn nur zu verdrängen bedeutet eine grosse psychische Last. Nicht das Vergessen, sondern das Gedenken ist der wichtigste Schritt zu einer Aussöhnung! So kann man der menschlichen Sehnsucht nach Harmonie ein Schritt näher kommen.
Im Alten Testament, im Buch Jesaja, wird eine uralte Friedensvision entfaltet: "Und der Wolf wird beim Lamm weilen, und die Raubkatze wird beim Zicklein liegen. Und Kalb, junger Löwe und Mastvieh sind beieinander, und ein junger Knabe leitet sie." (11, 6). Die Bibel findet sich nicht damit ab, dass Kampf und Feindschaft das letzte Wort haben. Sie ist getragen von einer utopischen Friedensvision.
(DLF, Am Sonntagmorgen, 'Vergeben, nicht vergessen', 16.1.11)
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